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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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etwas Zeit zu schinden.
    »Was gibt es noch?« Erste Zeichen von Ungeduld standen auf Gundas Antlitz.
    »Warum gibst du es nicht einfach zu?«
    »Was?«
    Agnes zauderte, holte tief Luft und schleuderte ihr entschlossen entgegen: »Dass du einmal Gunda Kelletat geheißen und vor siebzehn Jahren in Königsberg Zwillinge zur Welt gebracht hast.«
    »Hör auf mit diesem törichten Zeug!«
    »Das ist kein törichtes Zeug. Das weißt du genauso gut wie ich«, beharrte Agnes. »Was ist so schlimm daran? Ich mache dir doch gar keine Vorwürfe, jedenfalls nicht, solange du mir die Wahrheit sagst. Zacharias Fröbel werde ich immer als meinen wahren Vater lieben, gleichgültig, wer mein leiblicher Vater ist. Das weißt du genau. Ihr beide habt mich aufgezogen und mir eure Zuneigung geschenkt. Mehr kann ein Vater für sein Kind nicht tun. Daran wird sich nie etwas ändern.«
    »Dann lass es einfach so, wie es ist.«
    Gunda wollte weggehen, aber Agnes verstellte ihr den Weg. »Das geht nicht, jetzt nicht mehr. Lange schon habe ich gespürt, dass mir etwas fehlt und du mir etwas Wichtiges verschweigst. Endlich weiß ich, was es ist: ein Zwillingsbruder! Und dir fehlt dieser Sohn doch auch. Gib es bitte wenigstens einmal zu.«
    »Den Floh hat dir dieser schwarzbärtige Selege ins Ohr gesetzt, nicht wahr?« Aufmerksam musterte Gunda ihr Gesicht, schürzte die Lippen. Die Ungeduld wich deutlichem Unmut. Sie stemmte die Hände in die Hüften und fügte mit drohendem Unterton hinzu: »Ich glaube, mein Kind, da bringst du einiges durcheinander. Dieser Selege gefällt dir, deshalb glaubst du nur zu gern, was er von sich gibt. Er ist ein gutaussehender Mann, keine Frage, wirkt obendrein gebildet und galant, weiß sich vornehm zu betragen. Zum ersten Mal in deinem Leben bist du verliebt, liebes Kind. Kein Wunder! Seit Wochen tut Griet tagaus, tagein nichts anderes, als dir von ihrer Liebelei zu erzählen. Das muss dir den Verstand vernebelt haben. Gut, dass ich dich jetzt zu mir ins Sudhaus geholt habe. Hier wirst du bald wieder auf klare Gedanken kommen, schließlich bist du ein kluges Mädchen.«
    Trotz ihres Unmuts huschte bei den letzten Worten ein Anflug von Stolz über ihr Gesicht. Er erstarb, als Agnes von neuem widersprach. »Ich weiß, was ich weiß, Mutter. Das kannst du nicht mehr ungeschehen machen. Es wäre besser, du wärst aufrichtig zu mir und würdest mir die Wahrheit erzählen.«
    »Pass auf, was du sagst! Du vergisst wohl, wer ich bin!«
    Patsch! Dieses Mal verpasste Gunda ihr die Maulschelle tatsächlich. Agnes war fassungslos. Niemals zuvor hatte die Mutter sie geschlagen. Überrascht und entsetzt zugleich verlor sie das Gleichgewicht, torkelte gegen den Bottich, fand wieder Halt. Die Hand auf der brennenden Wange, starrte sie Gunda an, riss sich die Schürze vom Leib, stieß die Mutter beiseite und stürzte davon.

8
    E rst am Hoftor hielt Agnes inne, richtete das Halstuch und strich den Rock glatt. Die Kälte ließ sie frösteln. Sie sollte sich einen Umhang holen. Der aber hing in der Küche, und zurück ins Haus wollte sie nicht mehr. Ein Blick gen Himmel genügte, um sich auszumalen, dass ihr bald nicht allein die Kälte, sondern auch der Regen zu schaffen machen würde. Im Hof hinter ihr wurden Stimmen laut. »Agnes, warte!« Die Mutter wollte ihr folgen, Ulrich versuchte, sie aufzuhalten. »Lasst sie, Fröbelin! Sie kommt schon wieder.«
    Vorsichtig öffnete Agnes das Tor zur Straße und schlüpfte hinaus. Ohne nachzudenken, wandte sie sich nach rechts, dem Markt zu. Plötzlich wusste sie, was sie wollte: nach Laurenz Selege suchen! Da die Mutter weiterhin alles abstritt, sollte er ihr verraten, was es mit dieser Gunda Kelletat und ihren Kindern auf sich hatte. Die Vorstellung, Selege wiederzusehen, sein grünes und sein blaues Auge mit dem betörenden Zwinkern auf sich gerichtet zu wissen und seine wundervolle Stimme zu hören, versetzte sie in Aufruhr. Hoffentlich wollte auch er sie sehen. Eine Zurückweisung würde sie nicht ertragen. Sie schluckte. Es half nichts. Lief sie nicht los, würde sie es nie erfahren. Ohnehin war die Frage, wo sie nach ihm suchen sollte. Er hatte behauptet, eines Bauauftrags wegen nach Wehlau gekommen zu sein. Um den Markt herum wurden einige Häuser neu errichtet oder umgebaut. Dort würde sie beginnen, sich nach ihm zu erkundigen. Letzte Woche hatten sie ihn ebenfalls auf dem Markt getroffen.
    Mit neuer Zuversicht lief sie los. Heftiger Ostwind schlug ihr entgegen. In seinem

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