Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
Vom Netzwerk:
Gemeindewiesen beschäftigt. Die ausgetretenen Pfade zwischen den Häusern waren menschenleer. Eine mehrfarbige Katze strolchte umher. Unter Führung eines ausgemergelten Hahns pickte eine Handvoll Hühner im Schatten eines Weißdorngebüschs auf die ausgedorrte Erde ein. Sobald ihnen die Katze zu nah kam, gackerten sie empört auf. Auf dem Anger grasten zwei Kühe, ein etwa achtjähriges Mädchen führte eine Schar Gänse zum Dorfteich am östlichen Ausgang der Siedlung.
    Kollmanns Gehöft befand sich in der Mitte der Lischke. Anders als die benachbarten Anwesen war es von einer brusthohen Mauer umgeben. Als sich Ulrich und Agnes mit dem Karren näherten, schlugen die Hunde an.
    »Endlich kommt ihr«, rief jemand aus dem Hof. Zu sehen war er nicht, auch wenn das Tor weit offen stand. Der Rufer entpuppte sich als zahnloser, weit vorgebeugter Alter. Schlurfend schleppte er sich ihnen auf einen krummen Stock gestützt entgegen.
    »Wo ist Kollmann?«, fragte Ulrich und schob den Karren zur Hintertür des Hauses. »Will er sein Bier nicht selbst in Empfang nehmen?«
    »Trag es nur rein, er kommt schon noch!« Der Alte ruderte mit dem freien Arm, um ihn ins Haus zu weisen. Ulrich zuckte mit den Schultern, lud die Fässer vom Karren und trug sie hinein. Der Alte achtete nicht weiter auf ihn, sondern schob sich dicht vor Agnes, um sie aufmerksam zu mustern. »Du bist also die schöne Tochter der Fröbelin. Ich freue mich, dich endlich einmal mit eigenen Augen zu sehen. Mir ist schon einiges über dich zu Ohren gekommen.«
    Er hob seine freie Hand. Die Finger daran bogen sich wie Adlerkrallen. Genauso knöchrig waren sie auch und fühlten sich eiskalt an. Viel zu fest kniff er sie damit in die Wange.
    »Du gefällst mir, mein Täubchen! Das wundert mich nicht. Schon deine Mutter war eine Schönheit und deine Großmutter ebenfalls. Fröbel hat großes Glück gehabt, euch drei Frauen auf einen Schlag ins Haus zu kriegen.«
    Er lächelte, dabei verzog sich sein schmallippiger Mund zu einer schiefen Fratze. Die Falten vermehrten sich gewaltig, gruben sich um die Augenpartie wie ein Kranz Sonnenstrahlen ein. In seinem Mund blitzten zwei einzelne, blendend weiße Zähne auf. Sein Atem roch frisch, als habe er gerade erst Minze gekaut. Das Lächeln versöhnte etwas mit seinem sonstigen Gebaren.
    »Wer seid Ihr?«, fragte sie. »Ich habe Euch noch nie hier in Bürgersdorf gesehen. Woher kennt Ihr meine Familie? Bei uns im Silbernen Hirschen seid Ihr auch noch nie gewesen.«
    »Doch, mein Täubchen, da war ich schon oft. Aber das ist lange her. Da waren der alte Fröbel und ich noch jung und standen beide gut im Saft. Das war übrigens der Vater von dem Fröbel, den du deinen Vater nennst. Auch wenn es heute keiner mehr glauben mag: Wir zwei waren eine große Gefahr für so manch schöne Frau in der Gegend.« Schelmisch keckerte er in sich hinein, klopfte schließlich mit dem Stock auf den staubigen Boden. »Kaum zu glauben, aber diese Zeiten hat es tatsächlich einmal gegeben. Nach Wehlau in den Silbernen Hirschen kann ich längst nicht mehr laufen. Mein ganzes Leben habe ich in Allenburg verbracht, kaum eine halbe Stunde von Euch entfernt. Als meine Frau gestorben ist, hat meine Tochter mich hierher nach Bürgersdorf geholt. Sie ist mit Kollmann verheiratet gewesen. Allerdings ist sie vor zwei Jahren gestorben. Das letzte Kind, mit dem sie niedergekommen ist, hat sie aller Kräfte beraubt. Seither haben Kollmann und ich das Haus für uns allein. Das Kind war bald nach seiner Mutter tot, die älteren Töchter sind längst in andere Dörfer verheiratet. Zu Söhnen aber hat es bei Kollmann nicht gereicht. Nur unsere Magd Trude ist uns noch geblieben. Doch wenn du mich fragst, ist sie alles andere als ein Sonnenschein für meine alten Tage.«
    »Was redest du da wieder für törichtes Zeug, Vater? Bitte entschuldigt, verehrtes Fräulein Agnes, das Alter lässt ihn oft vergessen, mit wem er spricht.«
    Unbemerkt war Kollmann aufgetaucht und beugte artig sein kahles, nur notdürftig von dem schwarzen Barett gegen die Sonne geschütztes Haupt. Neben dem dürren, in sich zusammengesunkenen Alten wirkte er nicht nur größer, sondern auch jünger als sonst. Dabei mochte er die vierzig längst überschritten haben. Auch der um die Taille eng gegürtete Rock und die modischen Strumpfhosen unterstrichen diesen Eindruck. Nicht zum ersten Mal wunderte sich Agnes über seine Kleidung. Einem Bauern war sie kaum angemessen. Zudem schmiss er bei

Weitere Kostenlose Bücher