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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Geringsten ahnte, was sie von ihm wollte. Gemächlich trat er zurück an den Maischbottich und bückte sich nach dem Kübel mit Brauwasser. Ein letztes Mal betrachtete Gunda das Muskelspiel auf dem breiten Kreuz, dann wandte sie sich schweren Herzens um.
    »Am besten kommst du gleich mit«, wies sie Agnes an und verließ mit ihr das Sudhaus.

17
    A gnes war nicht entgangen, wie ungelegen Gunda Rehbinders Auftauchen kam. Schweigend liefen sie nebeneinander her. Die Mutter kniff die Lippen aufeinander und sah stur geradeaus. Mit keinem Wort hatte sie sich nach den näheren Umständen des unerwarteten Besuchs erkundigt. Dabei lag es auf der Hand, dass es damit eine besondere Bewandtnis haben musste. Bei ihrem Zusammentreffen vor wenigen Wochen auf dem Wehlauer Markt hatten sie vereinbart, sich erst im Herbst wiederzusehen und zwischenzeitlich nur in äußersten Notfällen Verbindung zueinander aufzunehmen. Hatte es etwas mit den Ereignissen bei Tapiau zu tun? Täglich wurden Mutmaßungen ausgetauscht, wie es mit den preußischen Städten und ihrem Zwist mit den Deutschordensrittern weitergehen würde. Gewiss war es nur eine Frage der Zeit, bis die Handelsgeschäfte mit Litauen, wie die Mutter sie mit Rehbinders Hilfe tätigte, davon berührt wurden. Agnes brannte darauf zu erfahren, ob es längst so weit war. Umso eigenartiger, wie wenig Gunda sich darum zu sorgen schien. Was mochte es derzeit Wichtigeres für sie geben? Kollmanns Heiratspläne konnten das gewiss nicht sein. Davon hatte die Mutter seit letzter Woche nicht mehr geredet. Vielleicht hatte er es sich anders überlegt. Ach, wenn es nur so wäre …
    Auf den Straßen war um diese Stunde nicht sehr viel los. Die träge Julihitze hielt die besseren Bürger in ihren kühlen Häusern oder Höfen. Die Bauern und ihr Gesinde hatten auf den Feldern zu tun. Noch stand die weitere Heumahd an, bald begann die Getreideernte. Solange keine Ordensritter am Horizont auftauchten, galt es allerorten, die Ernte sicher in die Scheunen einzubringen.
    Bald erreichten Agnes und Gunda die Pregelgasse und schlugen von dort den Weg nach rechts zum Pregeltor ein. Die zweite der beiden großen Wehlauer Straßen verlief nördlich von der Rechten Gasse und durchquerte wie diese die Stadt von West nach Ost. Allerdings ermöglichte sie den Fußgängern ein leichteres Vorankommen, waren in ihr doch kaum Fuhrwerke und Karren anzutreffen. Kinder spielten in den schattigen Winkeln, alte Weiber versammelten sich an einer Ecke zum Tratsch. Ein zahnloser Knecht redete auf einen Esel ein, nicht länger mitten auf der Gasse in der brütenden Sonne zu verharren. Dem Alten rann der Schweiß von der Stirn, sein Antlitz war besorgniserregend rot. Der Graubeiner aber rührte sich nicht von der Stelle. In wenigen Schritten stand Agnes bei den beiden. Das Lasttier wirkte kaum jünger als sein zweibeiniger Herr und litt ebenfalls unter der unerbittlichen Julisonne. Sacht strich Agnes dem Esel über den Kopf, klopfte ihm auf die Flanken. Eine dichte Wolke Staub wirbelte auf. »Geh zu«, raunte sie dem Esel ins Ohr und drückte mit der Hand in seine Seite. Gleich machte das Tier die ersten Schritte. Agnes schob ihn weiter, bis er die schattige Straßenseite erreicht hatte. Von da an setzte er wieder freiwillig einen Fuß vor den anderen. »Na also, er will doch!«, rief sie dem zahnlosen Alten zu. Der strahlte übers ganze Gesicht.
    Zufrieden, geholfen zu haben, sah Agnes ihnen nach, bis sie in einer der Gassen verschwanden. Die Mutter! Hastig drehte Agnes sich um. Weit und breit war von Gunda keine Spur zu entdecken. Zum Glück wusste Agnes, wo sie Rehbinder treffen würde, und lief rasch zum Pregeltor. Bald traf sie auf eine Schar vergnügt schwatzender Mägde. Geschickt balancierten sie ihre vollgeladenen Wäschekörbe auf den Köpfen. Ihr Ziel war die Senke am Pregelufer ein Stück flussabwärts der Brücke. Mitte der Woche trafen sie sich dort zum Wäschewaschen und Bleichen, wobei sie ausgelassen die neuesten Liebesabenteuer austauschten. Voller Neid beobachtete Agnes sie und fragte sich, warum sie Laurenz nicht auch unter ähnlich harmlosen Umständen begegnet war. Wäre das herrlich, ihn unten bei der Bleiche am Fluss zu treffen, mit ihm durchs kühle Nass zu laufen und seiner wundervollen Stimme zu lauschen, wie er von neuen Bauplänen für die Bürgerhäuser oder von fremden Städten und Ordensburgen erzählte. Seine verschiedenfarbigen Augen würden ihr zuzwinkern, sie die Gluthitze und die

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