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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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und eilten ebenfalls von dannen.
    »Ihr hört es selbst, Fröbelin«, rief Haude in das abschwellende Geläut hinein. »Die Glocken verkünden einen wichtigen Ratsbeschluss und rufen die Männer zum Markt. Leider liegt die Lösung der derzeitigen Schwierigkeiten nicht in meiner Hand. Seid froh, wenn Ihr Euch nur für wenige Tage mit den neuen Fässern gedulden müsst. Gerade komme ich aus dem Rathaus. Dort wurde vereinbart, dass die Stadt nach dem schmählichen Rückzug unserer Truppen aus Tapiau gewappnet sein muss. Noch heute wird mit dem Bau von Schanzen im Osten und Süden der Stadt begonnen. Wie Ihr Euch denken könnt, sind dafür zum einen alle verfügbaren Männer vonnöten, zudem natürlich auch alles Holz und Baumaterial, dessen man habhaft werden kann. Bis über den Pregel und die Alle weiterer Nachschub aus Litauen und Polen eintrifft, heißt das, alle Werkstätten sind zu schließen. Zu unser aller Wohl werden wir bis auf weiteres allein an der Sicherung unserer Verteidigungsanlagen arbeiten und alle anderen Dinge hintanstellen müssen.«
    »So weit ist es schon?«, murmelte Gunda, um kurz darauf entschieden festzustellen: »Hoffentlich hält die Gluthitze nicht an. Es wäre übel, wenn die armen Burschen bei der harten Arbeit an den Schanzen Durst leiden müssen. So, wie es jetzt aussieht, werden wir ihnen nicht lange ausreichend Bier zur Stärkung reichen können. Ihr wisst, wie rasch es bei der Hitze verdirbt.«
    »Wenn es nur das Bier wäre, um das wir uns sorgen müssten«, erwiderte Haude empört. »Aber eine Frau wie Ihr, verehrte Fröbelin, sieht das wohl anders.«
    Damit verabschiedete er sich und ging fort. Verdutzt blickte Agnes ihm nach. Gunda schürzte die Lippen, sichtlich damit beschäftigt, Haudes Bemerkung zu verdauen.
    »Was hat er mit seinem letzten Satz gemeint?«, fragte Agnes.
    »Vergiss es, Kind! Wir haben es eilig. Rehbinder wartet.« Ungeduldig zog Gunda sie am Arm, drängte sie, einen halben Schritt vor ihr zu gehen, als wollte sie ein abermaliges Stehenbleiben verhindern.
    »Und was ist mit Ulrich?«, rief Agnes über die Schulter nach hinten. »Muss er nicht auch fort, um beim Bau der Schanzen zu helfen?«
    »Auf einäugige Krüppel werden sie wohl vorerst verzichten. Das ist einer der wenigen Vorteile, die er seinem Unglück verdankt.«
    Je näher sie dem Pregeltor kamen, umso dichter wurde das Gedränge. Der Ratsbeschluss schien tatsächlich sofort in die Tat umgesetzt zu werden. Überstürzt mit Holz, Steinen und anderen wahllos zusammengesuchten Materialien beladene Karren drängten zur Stadt hinaus, umringt von Knechten, die Äxte, Beile, Schaufeln und dergleichen Gerätschaften geschultert hatten. Fröhlich singend zogen sie von dannen, verschwendeten offenbar keinen Gedanken daran, was der Schanzenbau bedeutete: dass der Rat der Stadt tatsächlich mit einem baldigen offenen Kampf gegen die Deutschordensritter rechnete!
    Gunda und Agnes reihten sich geduldig in die Schlange der Wartenden ein, die sich vor dem Tor gebildet hatte. Gebannt suchte Agnes die Gesichter der vielen Männer ringsumher ab. Erst als sie beim Anblick eines Schwarzbärtigen erschrocken zusammenzuckte, gestand sie sich ein, von neuem nach Laurenz Ausschau zu halten. Verhieß der Bau einer Verteidigungsanlage nicht viel Arbeit für Baumeister wie ihn? Ihr Herz raste. Zugleich wuchs in ihr die Angst, was es bedeutete, ihn nicht zu entdecken: dass er Wehlau längst verlassen hatte. Was hielt ihn auch noch hier? Der Umbau des Steinschen Anwesens am Markt war abgeschlossen. Verschämt wischte sie die feucht gewordenen Augenwinkel. Als sie Gundas missbilligenden Blick auf sich spürte, zwang sie sich zu einem Lächeln. »Ich finde es beunruhigend, was um uns her geschieht. Denkst du, es wird einen richtigen Krieg geben?«
    »Du hast doch gehört, was Haude gesagt hat«, erwiderte Gunda. »Schanzen werden wohl kaum gebaut, weil das Wetter so schön ist und gerade jetzt im Juli keine andere Arbeit anliegt. Doch vielleicht kommt alles ganz anders.«
    Unverhofft änderte sie den Tonfall und legte ihr den Arm um die Schultern. Die ungewohnte Zärtlichkeit schreckte Agnes mehr, als dass sie sie genießen konnte. Ein zarter Duft nach Rosen ging von Gunda aus. Sie liebte es, die Haut am Hals mit dem kostbaren Öl zu benetzen. Agnes versteifte sich, wollte weder den Duft einatmen noch die ungewohnte Nähe ertragen.
    »Warum sollten die Deutschordensritter überhaupt für Wehlau einen Kampf riskieren?«, fragte die

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