Gold und Stein
reichverzierte, bunte Rock umspannte straff den vorspringenden Bauch, die ebenfalls massigen Beine steckten in grün-rot gestreiften Strumpfhosen. Er trug überlange Schnabelschuhe, die ihm das Gehen auf dem unebenen Uferpfad erschwerten. Trotz dieser geckenhaften Aufmachung machte er auf Agnes einen ehrlichen Eindruck. Nichts an seinem Auftreten schien Berechnung zu sein.
»Was habt Ihr also so Wichtiges auf dem Herzen, mein Lieber?«, griff die Mutter das Gespräch wieder auf, sobald sie sich den letzten Schiffen näherten und deutlich weniger Auslader und Mägde ihren Weg kreuzten. »So ganz verstehe ich Eure Aufregung nicht. Wenn Ihr wie verabredet beste Ware aus Litauen beschafft habt, gibt es keinen Anlass zur Sorge. Da jeder sieht, wie ungeeignet das feine Eibenholz für den Schanzenbau ist, werden Eure Schiffe Wehlau heute noch ohne Schwierigkeiten passieren. Wir waren uns einig, wie es weitergeht: Ihr lasst die Schiffe bis nach Königsberg fahren. Das dauert flussabwärts kaum länger als einen weiteren Tag. Auf der Altstädter Holzwiese wird der gute Gernot Fischart sie spätestens morgen Abend in Empfang nehmen. Nach der Prüfung durch die Holzbraker wird er nichts Eiligeres zu tun haben, als sie so schnell wie möglich weiter nach England zu verschiffen. Ihr selbst habt mir doch letztens erst geschrieben, Fischart brenne darauf, dank dieser Lieferung die alten Handelskontakte nach London wieder aufleben zu lassen. Die englischen Bogenschützen dürsteten geradezu nach dem litauischen Eibenholz für die Bogen ihrer trefflichen Schützen. Vor wenigen Tagen wurde die Belagerung des Kneiphofs aufgehoben. Damit geht in allen drei Königsberger Städten alles seinen gewohnten Gang, und dem Handel steht nichts mehr im Weg. Ungestört kann Fischart also seine ehrgeizigen Pläne für England verfolgen. Wohlan, lieber Rehbinder, tut auch Ihr wie vereinbart und lasst den armen Mann nicht länger als nötig auf sein Holz warten. Wie Ihr wisst, geht es am Ende für uns alle bei dem Geschäft um viel Geld.«
»Ihr besteht also weiter darauf, dass ich Gernot Fischart die Schiffsladung Eibenholz in Eurem Auftrag liefere«, hakte Rehbinder nach. »Wisst Ihr eigentlich, verehrte Fröbelin, in welche Lage Ihr den guten Mann damit bringt? Wie Ihr eben selbst gesagt habt, hat sich unter dem unerbittlichen Druck Heinrich Reuß von Plauens nach der Königsberger Altstadt und dem Löbenicht vor wenigen Tagen auch der über vierzehn Wochen belagerte Kneiphof vom Preußischen Bund losgesagt. Damit steht die gesamte Dreistädtestadt am Pregel wieder einhellig unter der Herrschaft der Kreuzherren. Längst ist die Rede davon, dass Reuß von Plauen die Bürger für ihre Aufmüpfigkeit nicht strafen, sondern ihnen gnädig wieder ihre alten Sonderrechte gewähren will. Nachdem die Marienburg Gefahr läuft, an die Söldner verpfändet zu werden, kommt auf Königsberg womöglich eine ganz neue Rolle im Ordensland zu.«
»Das freut mich sehr für Eure Heimatstadt, verehrter Rehbinder«, warf Gunda ein. »Was aber hat das mit unseren Geschäften und vor allem mit dem guten Gernot Fischart sowie der für ihn bestimmten Ladung Eibenholz zu tun? Für ihn bedeutet das höchstens eine weitere Verbesserung seiner Handelsbeziehungen. Unter dem neuen Schutz der Deutschordensritter wird es eher noch leichter für ihn, die Verbindungen nach England auszubauen.«
»Nun ja«, wand sich der dicke Mann. »Bei dieser Einschätzung überseht Ihr einen wichtigen Teil der Geschichte. Fischart ist inzwischen der einzige Altstädter Kaufmann, der mit Kaufleuten der Bündischen, wie Ihr es seid, Handel treibt. Das bringt ihn zusehends in Bedrängnis, noch dazu, da jedermann sich an einer Hand ausrechnen kann, was Ihr mit dem verdienten Geld weiter vorhabt: die Aufrührer gegen die Kreuzherren zu unterstützen.«
»Ach, erzählt mir doch nicht so etwas!«, brauste Gunda auf. »Als ob es einem Kaufmann wie Fischart um solche Dinge ginge! Was soll ihn das groß schrecken? Ihr kennt Fischart seit Jahren. Ihr wisst, er ist allein auf einen günstigen Handel aus. Was kümmert ihn, was darum herum geschieht, solange sich sein Geldbeutel füllt? Das neidische Gerede seiner Zunftgenossen wird ihn nicht weiter stören. Wäre das anders, hätte er wohl kaum an unserem Geschäft festgehalten. Davon abgesehen, war er es doch, der vor wenigen Wochen die Hände nach Wehlau ausgestreckt hat.«
»Wart nicht vielmehr umgekehrt Ihr es, verehrte Fröbelin, die mit meiner
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