Gold und Stein
hatte?
»Ich glaube, verehrter Haude, dafür gibt es eine ganz harmlose Erklärung«, mischte sich Laurenz ein. »Die Magd hat all die einfachen Aufgaben in der Schankstube zu erledigen. Die Suppe muss nach wie vor gekocht, die Stube gefegt und die Betten müssen aufgeschüttelt werden. Fräulein Agnes dagegen kann jetzt, wo angesichts der bedrohlichen Lage im Land so wenig Gäste von außerhalb im Silbernen Hirschen einkehren, ganz gut auch einige Gänge außerhalb des Hauses erledigen. Ist es nicht so, meine Liebe?«
Der Blick, den er ihr aus dem grünen und dem blauen Auge schenkte, ließ ihr Herz abermals höher schlagen. Erleichtert fuhr sie mit dem Finger unter dem Halstuch entlang und lockerte es. Schließlich nickte sie Laurenz dankbar zu und sagte zu dem dicken Böttchermeister: »Wenn Euch nach dem frischen Bier meiner Mutter dürstet, verehrter Haude, solltet Ihr am besten gleich in die Schankstube gehen. Gewiss wird unser Knecht heute Abend noch ein frisches Fass anschlagen. Die Suppe unserer Magd wisst Ihr ohnehin zu schätzen. Doch entschuldigt mich jetzt, ich habe noch einen kleinen Botengang vor mir.«
Bei den letzten Worten zitterte ihre Stimme. Inständig hoffte sie, Laurenz deutete den Hinweis richtig und begleitete sie. Sie knickste, packte den Korb und schritt so ruhig wie möglich davon.
Zu ihrer Enttäuschung folgte Laurenz ihr jedoch nicht. Sie hörte, wie Haude ihn aufhielt, und verlangsamte ihre Schritte. Neugierig spitzte sie die Ohren. Ein Stapel Holz am Wegesrand schien ihr die rettende Zuflucht, um die beiden Männer zu belauschen. Rasch huschte sie hinter das für den Schanzenbau bereitgestellte Material. Den ganzen Tag hatte es in der Sonne gelegen. Sein betörender Geruch stach ihr in die Nase.
»Wo kommt Ihr jetzt her, mein lieber Baumeister?«, fragte Haude. »Vor Wochen seid Ihr plötzlich aus Wehlau verschwunden. Dabei hatte ich Euch doch schon gefragt, ob Ihr mein Haus in der Badergasse nicht ausbauen könnt. Das von den Steins am Markt ist Euch bestens gelungen. Wann also fangt Ihr bei mir an? Steine sind ausreichend vorhanden. Auch meine Knechte werden Euch gern helfen, sobald sie hier draußen nicht mehr gebraucht werden.«
»Ihr habt es offenbar sehr eilig.« Laurenz verbarg seine Verwunderung nicht. »Denkt Ihr, es ist vernünftig, angesichts des drohenden Gefechts mit den Kreuzherren jetzt an den Ausbau Eures Hauses zu gehen? Die Steine würden hier draußen dringend gebraucht. Soweit ich weiß, hat der Rat verboten, innerhalb der Stadt zu bauen, bis die Schanzen und Verteidigungswälle fertig sind. Jeder Mann und jeder Stein ist hier draußen vonnöten.«
»Das wird nicht mehr lang dauern. Und die Steine aus meinem Hof werden dafür gewiss nicht gebraucht.« Haude zeigte sich nicht im Geringsten verunsichert. »Mich wundert, dass Ihr Euch darüber Gedanken macht. Dabei wäre es doch eher an Euch, beunruhigt zu sein. Euer überraschendes Verschwinden letztens ist nicht nur mir aufgefallen. Ebenso werde ich nicht der Einzige sein, der sich fragt, warum Ihr ausgerechnet jetzt zurückkehrt. Wer weiß, wie lange es Euch dieses Mal bei uns hält? Gesehen habt Ihr nun gewiss genug, um gleich heute Abend noch weiterzureiten.«
»Worauf wollt Ihr hinaus?«
»Das muss ich Euch ganz gewiss nicht erklären.«
»Stimmt. Es reicht, wenn Ihr dem Rat erklärt, wozu Ihr die Steine in Eurem Hof hortet.«
»Passt auf, was Ihr sagt, mein Lieber. Ihr seid fremd bei uns in der Stadt. Ich dagegen bin ein alteingesessener Bürger. Schon mein Vater und der Vater meines Vaters und dessen Ahn haben hier gelebt. Ihr könnt Euch leicht ausrechnen, wessen Wort am Ende mehr zählt.«
»Da mögt Ihr recht haben. Umso verwunderlicher, dass Ihr daran festhaltet, ausgerechnet mich mit dem Umbau Eures Hauses zu beauftragen. Wenn Euch so starke Vorbehalte gegen Fremde wie mich plagen, solltet Ihr doch eher auf die hiesigen Baumeister vertrauen. Fragt doch den verehrten Leibold. Ich kann mir gut vorstellen, wie gern er für Euch plant.«
»Ach, Ihr kennt, was der am Ende mauern lässt«, winkte Haude ab. »Schaut Euch doch an, wie lausig die Schanzen hier aussehen. Fremder hin oder her, mein lieber Selege. Es ist eine Schande, dass Ihr so spät erst wiederaufgetaucht seid. Am Ende können wir wirklich nur beten, Reuß von Plauen hat ein Einsehen und zieht mit seinen Mannen den Pregel herauf. So werden Leibolds Schanzen im Osten und Süden gar nicht erst in Gefahr geraten, dem Ansturm wild
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