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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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was hier gerade vorgeht.«
    »Keine Sorge, dafür braucht es keine besonderen Fähigkeiten. Jeder weiß, wie sehr Reuß von Plauen darauf brennt, Wehlau für die Belagerung Tapiaus zur Rechenschaft zu ziehen. Sobald er sicher sein kann, die Lage im Kneiphof im Griff zu haben, wird er eiligst hierhermarschieren. Dafür werft ihr seit letzter Woche fleißig die Schanzen auf. Mich wundert allerdings, warum ihr euch so sicher seid, es genügten welche im Süden und Osten.«
    »Was meinst du damit?« Verblüfft begann der rothaarige Leibold die Rinde an dem Stock mit den Fingernägeln abzuschälen. Laurenz’ verschiedenfarbige Augen funkelten. Agnes konnte sich kaum beherrschen, auf ihn zuzutreten.
    »Hat irgendeiner in der Stadt daran gedacht, Reuß von Plauen könnte auch vom Wasser her angreifen?«, fragte er. »Sowohl der Norden als auch der Westen der Stadt liegen frei vor ihm, als wollte man ihn geradezu dorthin einladen.«
    »Du denkst doch nicht im Ernst, er kommt per Schiff den Pregel hinauf?« Jetzt war es an Leibold, belustigt das Gesicht zu verziehen. »Und selbst wenn, liegt Wehlau hoch genug, um ihn von oben her in Schach zu halten. Die Alle dagegen muss er erst einmal überschreiten. Da reicht es im Ernstfall, die Brücke abzubrechen. Die Georgskapelle ist das kleinere Opfer.«
    »Wie schön, dass du dir so sicher bist. Reuß von Plauen ist allerdings immer für eine Überraschung gut. Wollen wir hoffen, er wird seinem Ruf dieses Mal nicht gerecht.« Laurenz blickte nachdenklich die Reihe der Männer entlang. Agnes war zu fasziniert von seinem Auftreten, um sich rechtzeitig hinter dem breiten Rücken ihres Vordermanns zu ducken. Als sich ihre Blicke kreuzten, stutzte Laurenz. Ein Anflug von Traurigkeit huschte über sein Gesicht. Rasch wandte er sich wieder Leibold zu.
    »Wir werden wohl früh genug sehen, welchen Weg Reuß von Plauen wählt. Nichtsdestotrotz wird das kaum heute Nacht geschehen. Lass also die Männer ausruhen und neue Kraft schöpfen. Umso frischer werden sie morgen an die Arbeit gehen.«
    Einen Moment zögerte Leibold. Die Knechte sahen ihn stumm an, keiner von ihnen war bereit, an diesem Tag noch einmal zu den Werkzeugen zu greifen. Das sah wohl auch der rothaarige Baumeister endlich ein und murmelte leise: »Nun gut!« Daraufhin wandten sich die Arbeiter ab, sammelten ihre Kittel, Äxte und Haken ein und marschierten davon. Unzufrieden sah Leibold ihnen nach.
    »Habt Ihr noch etwas Bier für mich übrig, schönes Fräulein?« In wenigen Schritten stand Laurenz neben Agnes und lächelte sie an. Sie zuckte zusammen.
    »Meine Kanne ist leider schon leer.« Bedauernd lächelnd hob sie den Korb, um ihm einen Blick hinein zu gestatten. »Die Hitze und die schwere Arbeit hat die Männer durstig gemacht. So viel Bier kann ich gar nicht herbringen, wie eigentlich vonnöten wäre.«
    »Noch dazu, wenn es der begehrte Gerstensaft der Fröbelin ist.« Unbemerkt von ihnen war Böttchermeister Haude händereibend auf sie zugegangen. »Schade, nicht wahr, mein lieber Selege? Dabei würde so ein kühles Bier jetzt wirklich guttun. Mich deucht, liebes Fräulein Agnes, Eure Mutter hat sich angesichts ihrer Fässer letztens wohl doch etwas verschätzt. Bislang reichen ihre Bestände voll und ganz aus. Kein Wunder, wenn Ihr weiterhin so fleißig die Kannen voller Gerstensaft zu den Männern an den Baustellen tragt. Bleibt nur zu hoffen, Eure Mutter kommt auch mit dem Brauen nach.«
    »Keine Sorge, das Brauen schafft meine Mutter leicht«, rang Agnes sich zu einer freundlichen Erwiderung durch. »Entschuldigt mich bitte. Ich bin bereits auf dem Heimweg.«
    Sie raffte ihren Rock und wollte sich zum Gehen wenden, er aber hielt sie am Arm zurück, ohne sich um Laurenz’ warnenden Blick zu kümmern. »Wartet, schönes Kind, verratet mir erst, warum Ihr so oft hier seid. Ich beobachte Euch seit Tagen. Oft genug bin ich hier draußen, um zu schauen, ob meine Knechte fleißig ihrer Aufgabe beim Schanzenbau nachkommen. Jedes Mal treffe ich auch Euch hier an. Warum schickt Eure Mutter nicht Eure Magd? Gibt es einen besonderen Grund, weshalb nur Ihr diese Aufgabe übernehmen könnt?«
    In seinen Augen lag etwas Lauerndes, sein Ton war vorwurfsvoll. Agnes erinnerte sich daran, wie eigenartig er ihrer Mutter letztens begegnet war. Ganz offenbar traute er ihnen nicht, hielt sie womöglich für feindliche Kundschafterinnen! Wie sonst war zu verstehen, dass er die Mutter abfällig als »eine Frau wie Ihr« bezeichnet

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