Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gold

Gold

Titel: Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
Vom Netzwerk:
auf der langen, geraden Straße zwischen den viktorianischen Reihenhäusern aus rotem Backstein unterwegs. Jedes Haus hatte eine farbig gestrichene Haustür, zu der ein paar Stufen hinaufführten, und eine kleine Mauer, die den Eingang vom Gehweg trennte. Die Kinder blieben stehen, ließen Kaugummiblasen platzen und sahen zu den Argalls herüber, die vor ihrem Haus anhielten.
    Jack öffnete seine Tür und stieg aus. Es nieselte noch. Er runzelte die Stirn. »Geht ihr eigentlich nie nach Hause?«
    Das größte Kind war ein achtjähriges Mädchen in rosa Leggings, weißen Turnschuhen und einem grünen Parka mit Kapuze. Sie schob ihr Rad ein Stückchen vor, umklammerte die Handbremsen und neigte den Kopf zur Seite. Sie rümpfte die Nase und musterte Jack, als wäre er leicht zurückgeblieben. »Läuft doch nix im Fernsehen. Nur Scheiße.«
    Er sah sie missbilligend an.
    »Wie? Ich hab doch nur Scheiße gesagt. Gibt’s das nicht in Kack-Lappland oder wo immer Sie herkommen, Mr Argall?«
    Sie beugte sich vor und spuckte auf die Straße. Ein langer Spuckefaden blieb an ihrem Mund hängen, und sie saugte ihn wie Spaghetti durch die Lücke in ihren Schneidezähnen ein, wobei sie Jack die ganze Zeit über freundlich anschaute .
    »Ich bin aus Schottland. Wenn das im Fernsehen käme, würdest du es bestimmt erkennen. Dudelsäcke. Kilts. Heroin.«
    »Wie auch immer«, sagte das Mädchen. »Ist Ihre Sophie okay?«
    »Frag sie doch selbst, Ruby. Sie kann reden.«
    Kate war ausgestiegen und beugte sich vor, um Sophies Gurt zu lösen. Das Mädchen schob das Fahrrad näher heran.
    »Meine Mam hat Ihnen einen Kuchen vor die Tür gestellt, Mrs A.«
    Kate blickte auf. Richtig, auf der Stufe vor der Haustür standen eine Tupperdose und eine Keksdose aus Metall.
    »Zwei Kuchen. Das ist aber nett.«
    »Nee, die Dose ist von Kellys Mam. Sind Kekse drin, aber ich würd die an Ihrer Stelle nicht essen, weil Kellys Mam schmutzig ist.«
    »Ruby, Liebes, das solltest du aber nicht sagen.«
    Jack sah Kate über den Kopf des Mädchens hinweg an, als wollte er sagen »Na ja, wo sie recht hat …«, und sie musste sich das Lachen verbeißen.
    »Komm, wir holen dich da raus, Sophie«, sagte sie und hielt schützend den Kopf ihrer Tochter, während sie sie aus dem Wagen hob.
    Sophie schaute über die Schulter ihrer Mutter zu dem anderen Mädchen hin. Blinzelte, weil ihr der Regen in die Augen wehte.
    »Alles klar, Soph?«, fragte Ruby.
    »Es war Wahnsinn «, sagte Sophie. »Wir waren tatsächlich auf dem Todesstern, und wir haben tatsächlich Darth Vader getroffen, und er war es wirklich, sonst hätte ich nicht diese Erinnerungen. «
    Ruby verdrehte die Augen. »Wann kommst du wieder zur Schule?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Bald, Ruby«, sagte Kate. »Wenn es ihr besser geht.«
    »Du hast schon zwei Monate verpasst. Wenn du noch mehr verpasst, musst du mit Barney in Mathe für Doofe gehen. Dann zeigt er dir seinen Schniedel.«
    Sophie zuckte lässig mit den Schultern. »Hab ich schon gesehen.«
    Ruby lächelte und ergriff rasch Sophies Hand. Sie sah ihr kurz in die Augen und neigte den Kopf, als wollte sie durch ihren Arm eine innere Kraft in Sophies Körper leiten. Dann ließ sie ihre Hand los, zerknallte eine Kaugummiblase und radelte zu den anderen Kindern, die auf der Straße im Kreis fuhren.
    Sophie ließ sich von Mum ins Haus tragen. Es roch nach Toast und Fahrradöl. Die Fahrräder ihrer Eltern hingen an Haken von der Wand. Mum stellte Sophie auf den Boden, und sie stapfte durch das Durcheinander aus Schuhen, einzelnen Handschuhen und herumliegenden Mänteln zur Toilette unter der Treppe.
    Sophie schloss sich in der Toilette ein und sank im Dunkeln zu Boden. Sie lehnte sich gegen die Wand und schloss die Augen. Die halbe Minute mit Ruby hatte sie völlig erschöpft. Aber es war gut. Mum hatte es gesehen, und Dad auch. Ergab eine Stunde ohne Sorgen. Danach würden sich die Falten wieder in ihre Gesichter stehlen, und der scharfe Ton würde in ihre Stimmen zurückkehren, und sie würden verstohlene Blicke tauschen. Sie würden miteinander über dumme Sachen wie Trainingszeiten und Langkornreis streiten und nicht mal wissen, warum sie das taten. Sophie aber würde es wissen. Es bedeutete, dass sie wieder Angst um sie hatten, und sie würde wieder etwas tun müssen, damit sie es für eine Stunde vergaßen.
    Im Auto konnte man gegen den Rücksitz treten. Das nervte Mum und Dad, und Genervtsein war das Gegenteil von Angsthaben. Zu Hause war die

Weitere Kostenlose Bücher