Gold
sie traute sich selbst nicht über den Weg. Sie war viel besser mit ihrer Beziehung klargekommen, als Kate nur eine Rivalin gewesen war, jemand, den sie auf der Bahn vernichten und im normalen Leben demoralisieren musste.
»Was ist los?«, riss ihre Agentin Zoe aus den Gedanken.
»Nichts«, erwiderte Zoe. »Ich musste nur an die Zeit denken, in der es noch nicht in erster Linie darum ging, die Medien in den Griff zu kriegen.«
»Glaubst du allen Ernstes immer noch, es ginge ums Radfahren? So sentimental kannst du – «
Zoe beendete das Gespräch abrupt und schloss die Augen.
Als sie Kate am ersten Morgen der Elitesichtung kennengelernt hatte, war ihr klar, dass sie sie nur auf die Psychotour schlagen würde. Sie und Kate waren bei weitem die schnellsten Mädchen in der Gruppe, und Tom ließ sie einen Sprint über drei Runden fahren.
Sie hatten einander taxiert. Zoes Herz hatte geflattert. Vor lauter Adrenalin konnte sie nicht klar denken. Sie saß an der Startlinie auf dem Rad, Kate neben ihr. Tom hielt Kates Rad, Jack das ihre. Zoes Haut glänzte. Sie war drei Rennen hintereinander gefahren.
Kate fragte: »Geht es? Oder willst du dich ausruhen?«
Zoe schüttelte den Kopf. »Alles bestens. Ich bin warm. Aber du solltest lieber aufpassen. Wie lange bist du nicht mehr gefahren?«
»Sechs Monate.«
»Mach dir nichts kaputt.«
Zoe hatte sie damit psychologisch aus dem Konzept bringen wollen, doch Kate nahm es als aufrichtigen Ratschlag.
»Danke.«
In Zoe keimte der Verdacht, dass Kate vielleicht nicht allzu helle war.
Tom zählte: »Fünf … vier … drei … zwei …«
Zoe sah zu Kates Pedalen hinunter und riss die Augen auf.
»Was ist los?«
Zoe sagte nichts.
»Eins …«, zählte Tom.
Kate sah verwirrt nach unten.
Tom blies in seine Trillerpfeife.
Als Kate aufblickte, war Zoe schon zehn Meter vor ihr. Unmöglich, den Vorsprung in drei Runden aufzuholen, doch fast hätte Kate es geschafft. Zoe gewann mit nur einer Radlänge.
»Scheiße!«, stieß Kate hervor.
Sie fuhren zwei Runden zum Abkühlen. Beide keuchten. Sie stiegen von den Rädern und ließen sich fallen. Kate zog die Knie an, Zoe hockte sich neben sie.
»Alles in Ordnung?«
Kate sah sie aus geröteten Augen an. »Nächstes Mal schlage ich dich.«
Zoe schüttelte mit widerwilliger Bewunderung den Kopf. »Du bist anscheinend so eine Art Naturtalent.«
Kate lächelte. Jack kam herüber. Als Zoe bemerkte, wie er die Hand auf Kates Schulter legte und sie zu ihm aufsah, drehte sich ein Messer in ihrer Brust, und sie stapfte davon.
Am letzten Tag der Sichtung zog sie sich zwischen den Rennen von allen zurück. Sie aß ihr Mittagessen hoch oben auf der Tribüne am südlichen Ende des Velodroms und beobachtete, wie Kate und Jack auf der hell erleuchteten Bahn ihre Telefonnummern austauschten. Sie hatten einander drei Tage lang verträumt angestarrt.
Zoe hatte ein Tablett mit Obstsalat vor sich stehen und spießte mit einer Plastikgabel grüne Trauben auf, als hätte jede Einzelne von ihnen ihr etwas angetan. Tom stieg zu ihr herauf. Er hielt sich am Geländer fest und zog sich mühsam von einer Stufe zur nächsten.
»Du findest, sie passt nicht zu ihm, oder?«
»Ich finde nichts. Ich fahre.«
Tom lachte. »Noch immer sauer wegen der Sache am Empfang?« Sie sah zu ihm auf, kaute auf einem Stück Apfel und schwieg. »Alles in Ordnung?«
Zoe sah wieder zu Kate und Jack. »Solange ich gewinne, schon.«
»Und wenn nicht?«
Achselzucken. »Gibt’s nicht.« Sie kniff die Augen zusammen, um die beiden besser sehen zu können.
»Ich mag dich, Zoe. Es freut mich, dass du hergekommen bist. Ich kann dir bei deinen Problemen helfen, wenn du möchtest.«
»Ich habe keine Probleme.«
»Mir scheint, dass du nicht sehr glücklich bist.«
»So wie du?«
»Um mich geht es hier nicht.«
»Wieso?«
»Weil ich der verdammte Trainer bin.«
Sie trommelte mit den Fingern auf die Rückenlehne vor ihr.
»Du musst nicht reden, wenn du nicht willst«, sagte er nach einer Weile.
»Ich weiß.«
Tom wartete, doch sie sagte nichts mehr.
»Na schön. Nur damit du weißt, dass du auf mich zählen kannst.« Er stand auf.
Als er sich umdrehte, fragte sie: »Was ist passiert?«
»Womit?«
»Mit deinen Knien. Mit dir.«
Tom lächelte. »Darüber will ich lieber nicht reden.«
Zoe grinste und ahmte seinen Tonfall nach. »Nur damit du weißt, dass du auf mich zählen kannst.«
»Scheiße, Zoe, ich mache hier nur meine Arbeit.« Sie wandte sich lächelnd
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