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Gold

Gold

Titel: Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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ab. »Ach so, ich verstehe. Du musst überall der Sieger sein. Sogar bei Gesprächen.«
    Zoe massierte sich den Nacken. »Ja, stimmt. Tut mir leid.«
    Tom setzte sich wieder und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Ich bin ein ganz guter Trainer. Ich habe vielen Fahrern geholfen.«
    Sie zuckte mit den Schultern, schüttelte seine Hand aber nicht ab. Tom drückte Zoe rasch und ließ sie dann los.
    Zoe schaute auf die Bahn hinunter. Kate und Jack alberten im grellen Licht der Halle miteinander herum. Jack warf den Kopf zurück und lachte, worauf Kate ihn scherzhaft gegen die Schulter boxte. Das Licht schimmerte auf ihrem Haar und funkelte in seinen Augen, und beide erglühten förmlich, als wären sie durchsichtig und würden von innen heraus leuchten, hell wie eine Milliarde Kerzen, erfüllt von wirbelnden Wolken aus goldenem und silbernem Glitzer, der ihre Körper füllte, dort, wo andere Menschen Leber und Lunge und ihr Gedärm hatten.
    Zoe schnitt eine Grimasse. »Warum mögen die einander einfach so?« Sie schnippte mit den Fingern.
    »Ach, das ist die Chemie. Das erlebt man als Trainer andauernd. Nichts auf Erden verliebt sich schneller ineinander als junge Menschen bei Höchstgeschwindigkeit.«
    Zoe wollte etwas sagen, stockte aber.
    »Sag ruhig.«
    »Okay. Warst du je verliebt?«
    Er lachte. »Zwanzig-bis dreißigmal am Tag. Aber in meinem Alter zählt das nicht mehr. Der Frosch bewegt sich noch, wenn man ihn unter Strom setzt, sonst aber ist tote Hose.«
    »Ich meine richtig«, sagte sie gereizt.
    Tom seufzte. »Verliebt? Na ja. Das ist verdammt lange her.«
    »Wie fühlt es sich an?«
    »Da fragst du den Falschen. Das war in einem anderen Leben.«
    Zoe beobachtete noch immer Kate und Jack. »Meistens fühle ich mich innen ganz hohl. Irgendwie tot. Dann wieder bin ich superwütend.«
    »Macht dir das Angst?«
    Sie überlegte. »Ja.«
    Tom nickte wie ein Arzt, der seine eigene Diagnose bestätigt sieht.
    »Was?«
    »Nichts. Aber, ich meine, das kann man doch sicher als Problem bezeichnen.«
    »Ich sage ja nur ehrlich, wie ich mich fühle.«
    »Du bist erst neunzehn, Zoe. Mit der Zeit wird es leichter.«
    Sie machte mit der Hand einen plappernden Mund nach.
    Tom lächelte. »Nein, im Ernst. Als dein Trainer ist es meine heilige Pflicht, dir mitzuteilen, dass du noch nicht alles erlebt hast.«
    »Im Gegensatz zu dir, oder wie?«
    »Ich sage nur, die Zeit bleibt nicht stehen. Du wirst jemanden finden, an dem dir liegt.«
    Sie sah ihn unerbittlich an. »Ich habe keine Angst vor dem Alleinsein. Du?«
    »Spinnst du? Ich habe eine beschissene Angst davor, allein zu sein.«
    Sie saßen ein paar Minuten schweigend da und beobachteten Kate und Jack. Schließlich schob Zoe den Obstsalat zu ihm hinüber, und er nahm eine Traube.
    »Danke.«
    »Gewöhn dich bloß nicht dran.«
    Tom lachte, sie nicht.
    »Ich möchte gegen Jack fahren.«
    »Machst du Witze?«
    »Nein, er geht mir auf den Wecker. Soll er doch versuchen, mich zu schlagen.«
    Er sah sie skeptisch an, und sie erwiderte seinen Blick mit neutraler Miene, hielt ihm stand. Etwas wie Traurigkeit stieg zwischen ihnen auf. Sie tat Zoe weh, auch wenn sie das Gefühl nicht einordnen konnte. Vielleicht war es ihre eigene Zerbrechlichkeit, ihr plötzlicher Zweifel daran, dass sie stärker war als die Zeit, dass sie der Fixpunkt sein konnte, um den sich die Zeit wie Rauch in einem Windkanal kräuselte.
    »Ich bin Trainer, kein Ehestifter«, sagte Tom. »Ich meine, falls du auf Jack stehst, solltest du vielleicht runtergehen und mit ihm reden.«
    Zoe wurde unerwartet rot. »Ich stehe nicht auf ihn.«
    »Dann vergiss es.«
    Sie warf abschätzig den Kopf zurück. »Scheiß drauf, schon vergessen.«
    Er schaute sie aufmerksam an.
    »Was ist los?«, fragte sie.
    Er wog zwei unsichtbare Gegenstände in seinen Händen ab. »Du endest entweder auf dem Podest oder in einem Leichensack. Ich versuche gerade herauszufinden, was von beidem wahrscheinlicher ist.«
    »Als wenn du dich dafür interessieren würdest«, schnaubte Zoe.
    »Dafür werde ich bezahlt, kapiert? Das ist mein Job. Ich bin vollkommen überzeugt, dass du mit dem richtigen Trainer ein unglaublicher Champion werden kannst.«
    »Ich brauche keinen Trainer. Ich muss nur Rennen fahren.«
    »Dann schlage ich dir einen Deal vor. Wenn ich dich gegen Jack fahren lasse, darf ich dich einen Monat lang trainieren. Wenn du danach immer noch glaubst, dass du mich nicht brauchst, entlasse ich dich zurück in die Wildnis. Vielleicht

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