Gold
mit einem Peilsender, damit es der Polizei leichter fällt, deine Leiche zu finden.«
Sie grinste. »Okay.«
Tom klopfte ihr auf die Schulter. »Braves Mädchen. So, wie willst du gegen Jack fahren? Beim Sprint hast du keine Chance.«
Zoe sah hinunter zu Jack, der noch immer mit Kate neben der Bahn stand und lachte. Er war groß für einen Radrennfahrer. Seine Oberschenkel-, Gesäß- und Bauchmuskeln zeichneten sich unter der Haut ab wie auf einem anatomischen Schaubild. Zoe musterte ihn von oben bis unten. An Kraft fehlte es ihm jedenfalls nicht.
»Distanz?«, fragte sie.
»Hab ich nichts dagegen. Lass ihn ein paar Runden drehen, vielleicht lässt er dann nach. Schon mal Verfolgung gefahren?«
Sie nickte. Die Einzelverfolgung war die einfachste Art des Rennens. Die beiden Fahrer starteten an gegenüberliegenden Punkten der Bahn und fuhren gegen den Uhrzeigersinn, wobei sie einander jagten. Man musste von Beginn an Tempo machen, und wer den anderen einholte, hatte gewonnen. Falls keiner es schaffte, gewann derjenige, der die festgelegte Strecke zuerst zurückgelegt hatte.
»Na schön«, sagte Tom. »Vierzehn Runden?«
»Einverstanden.«
Sie gingen die Stufen zur Bahn hinunter. Tom rief die Fahrer zusammen und erklärte ihnen die Regeln. Zoe behielt Jack die ganze Zeit über im Auge, und er sah sie belustigt an. Sein Blick bewirkte etwas bei ihr. Sie fummelte an den Riemen ihres Helms herum, bevor die Schnalle endlich zuklickte. Sie verbarg sich hinter ihrem verspiegelten Visier und flüsterte innerlich Komm schon, komm schon. Kontrollierte ihren Atem.
Sie kniff die Augen zu und holte ihre verschüttete Wut an die Oberfläche. Den tiefen Zorn auf sich selbst. Er stieg in ihr auf, schneller und schneller, bis sie wusste, sie musste sofort aufs Rad steigen und losfahren, sonst würde ein Schrei aus ihr herausbrechen, der sie förmlich aus der Gruppe katapultierte.
»Na los«, sagte sie mit geschlossenen Augen, »komm schon, komm schon, los …«
Sie wurde zur Startlinie geführt. Jemand schob ihr Rad heran. Das Adrenalin ließ sie am ganzen Körper zittern. Dann war sie allein an der Startlinie. Alle anderen Fahrer wollten, dass Jack das Rennen gewann, und umringten ihn auf der gegenüberliegenden Seite der Bahn. Das machte Zoe nichts aus. Aber sie brauchte jemanden, der ihr Rad beim Start festhielt. Tom rief nach Freiwilligen, keiner meldete sich. Schließlich hielt er das Rad selbst fest.
Er fasste sie am Arm, doch sie schüttelte ihn ab.
»Also, Zoe. Du musst dir ein realistisches Ziel setzen. Dass er dich zehn Runden lang nicht einholt. Wenn du ihn bis zu den letzten vier aufhalten kannst, betrachten wir es beide als Sieg, okay?«
»Okay«, presste sie mühsam hervor.
Tom gab das Signal zum Countdown, und die Mädchen auf der anderen Seite riefen aufgeregt und mit glühenden Gesichtern: »Los, Jack! Zeig’s ihr, Jack!« Zoe sah in die Mitte des Velodroms, und Jack grinste zurück.
Sie wandte sich heftig ab. Tom setzte zum Countdown an.
Noch zehn Sekunden. Zoe starrte auf die Linie, die unter ihrem Vorderrad auf der Bahn verlief. Den schmalen schwarzen Streifen, der einen wieder zu sich selbst zurückbrachte. Sie atmete tief durch, pumpte Sauerstoff in ihr Blut. Konzentrierte sich. Sie folgte der schwarzen Linie, die die Gravitation um den Kern ihres Zorns bog, beschwor alle ihre Dämonen herauf und verschmolz sie zu einer unendlich heißen Energie in ihrer Mitte. Sie zitterte. Als sich der Countdown dem Ende näherte, konnte sie sich kaum noch kontrollieren. Ihre zorngeladene Energie würde sie töten, wenn sie sie noch länger unterdrücken musste. Sie kämpfte dagegen an. Die Geschwindigkeit wollte aus ihr herausbrechen. Noch drei letzte unerträgliche Sekunden bezwang sie sie, verharrte zwischen Rennen und Realität, in der Startposition. Ihre Lippen bewegten sich, sie betete, dass die Pfeife endlich ertönte.
Der schrille Laut schoss durch ihre Wirbelsäule. Er verband sich mit dem Leben, das sie auf diesen einen rachsüchtigen, weißglühenden Punkt konzentriert hatte. Die Pfeife setzte das Leben frei. Sie trat in die Pedale, noch bevor ihr Gehirn den Schuss gehört hatte. Erst zwanzig Meter weiter kam sie zu Bewusstsein. Der erste und letzte vernünftige Gedanke: Sieh an, ich fahre.
Jetzt kehrte die ganze antrainierte Technik, die sich ihrem Körper eingeprägt hatte, zurück und übernahm die Kontrolle. Die erste steile Kurve nehmen, auf dem Sattel zurechtrücken. Sie nahm die Hände vom
Weitere Kostenlose Bücher