GOLDAUGEN (German Edition)
jetzt nicht weiter aus, ihr könnt ja bei Gelegenheit mal das Dossier der Familie lesen. Bleiben wir bei Steven Sarkos. Es gibt von Kindes Beinen an bis heute nicht eine Auffälligkeit, nicht einen Makel in seiner Geschichte. Der muss mit einem Heiligenschein auf die Welt gekommen sein und den bis heute behalten haben. Ich habe schon gedacht, ich lese die Lebensstory über unseren Homer Theodor, der wirklich ein Mann von Ehre ist und wirklich kaum menschliche Schwächen aufweist.«
Sie schmunzelten, gaben aber in ihren Gedanken Hassan recht.
» Das konnte eigentlich aufgrund seiner bekannt überheblichen Art gegenüber seinen Mitarbeitern nicht sein.
Samantha Norkin hat ihn als sexistisch und cholerisch beschri eben.
Also habe ich sämtliche offiziellen Informationen aus meiner rechten Hirnhälfte verbannt und meine linke endlich zum Denken animiert. Mir kam es in den Sinn, einmal bei einem alten Professor von ihm in Harvard anzurufen. Das war nicht ganz so einfach, hat aber mehr gebracht als alle öffentlichen Informationen, und vor allem, was unsere Detektei so rausbekommen hat.
Homer T. zapft ja noch seine Quelle bei der CIA an, vielleicht kommen da ja auch noch ein paar brisante Eigenschaften zum Vorschein.
Ich erzählte dem Prof essor eine lustige Geschichte, die alle Akademiker beim Schopfe packt. Ich wäre auch ein guter Detektiv geworden, schade, dass ich schon so alt bin.«
Wieder schmunzelten sie in de r Runde.
» Erst war er sehr zurückhaltend und zugeschnürt, wollte eigentlich das Gespräch abwimmeln. Ich stellte mich auch als ein Professor namens Sörensen vor, dem Nobelpreiskomitee in Stockholm angehörig.
Das beruhigte und elektrisierte ihn zugleich. Als Reporter oder sonst eine unbekannte Person hätte ich ihm außer ein paar Höflichkeitsfloskeln nichts entlockt.
Ich erwähnte, dass Steven Sarkos, sein alter Student, in den Kreis der Nominierten aufgenommen werden soll. Es ginge aufgrund seines letzten Buches um den Literatur-Nobelpreis. Ja, ich denke, der gute Professor hat am anderen Ende der Leitung einen ähnlichen Gesichtsausdruck gehabt, wie ihr beiden.«
L autes Gelächter hallte übers Meer. Franck nutzte die kleine Pause, um eine kleine Fahne zu hissen, das war ein Zeichen fürs Personal.
In Schallgeschwindigkeit servierten sie Kaffee u nd Kuchen und zogen sich wieder zurück. Hassan sprach weiter, sie waren gespannt.
» Das hatte der Professor selbst noch nicht erlebt. Harvard schon, aber einer seiner Studenten, kann es eine größere Bestätigung für einen Hochschullehrer geben? Eine würdevolle Auszeichnung, wer würde sich damit nicht gern schmücken? Nun ja, seine Freude war dennoch verhalten.
Ich erzählte ihm, dass das Komitee gern im Umfeld eines möglichen Kandidaten Erkundigungen einholt, um sich ein besseres Bild von der Person machen zu können.
Ich stellte meine erste Frage, da zögerte er geradezu: Wie war Herr Sarkos denn als heranwachsender Student?
„Das ist keine leichte Frage. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, aber ich hätte mir eher einen anderen meiner Studenten für solch eine ehrenvolle Würdigung vorstellen können.“
Lieber Professor Kondell, gerade, weil wir im Vorfeld sicher sein wollen, ob wir die richtige Auswahl treffen, sprechen wir mit Menschen aus dem frühen Umfeld, um ein unverfälschtes Persönlichkeitsbild zu bekommen. Unsere öffentlichen Informationen aus seinem politischen und familiären Kreis sind unisono bestens. Er scheint vorbildlich und tugendhaft zu sein. Wenn es so ist, dann freuen wir uns über alle Maßen. Ich gehöre nun schon zwölf Jahre dem Auswahlkuratorium der Alfred-Nobel-Stiftung in Schweden an, aber ich habe noch nie erlebt, dass alle Anforderungskriterien, die von der Person eines Preisträgers erfüllt werden müssen, so zweifelsfrei erfüllt werden.
Der Prof essor öffnete sich immer mehr:
„Sie können sich vorstellen und wir setzen es voraus, dass unsere Studenten wahrlich - die Elite unseres Landes repräsentieren.
Die überwiegende Mehrzahl ist wohlerzogen und über jeden Zweifel erhaben .
Dennoch schleichen sich immer mal wieder, wie in allen Bereichen des Lebens, einige, ich drücke es mal vorsichtig aus, charakterlich sonderbare Menschen ein. Steven Sarkos fiel weder negativ noch positiv auf. Er schwamm im Strom und bemühte sich geradezu, nicht aufzufallen. Wie soll ich es besser ausdrücken? Wie programmiert! Wir Lehrkräfte bekommen ja auch nicht alles mit.
Über die Zeit
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