Goldbrokat
missglückten Streich reuig zu mir gekommen waren.
»Wir haben ein Spukhaus besucht. Am Eigelstein.«
»Aha.«
Ich fachte die Glut im Herd wieder an und stellte einen Topf mit Milch auf die Platte.
»Um Mitternacht.«
»Soso.«
»Und dann ist die Tür zugefallen.«
»Wie erschreckend.«
»Wir waren eingesperrt.«
»Aber offensichtlich nicht für lange.«
Die Küchenuhr zeigte auf halb drei.
»Nein.Wir … ähm … konnten aus dem Fenster klettern.«
»Aber dabei musste ich meinen Unterrock kaputt machen.«
»Wie betrüblich.«
Ich rührte Kakaopulver und Zucker in die Milch.
»Du bist nicht böse mit uns?«
»Habe ich Grund dazu?«
»Ja, Mama.«
Ich überlegte. Nein, ich konnte ihnen nicht böse sein. Solche Abenteuer hatten Leander und ich auch unternommen. Mir jetzt noch Sorgen zu machen, wäre auch nur verschwendete Nervenkraft, sie waren ja wohlbehalten zurückgekommen. Aber eine etwas genauere Schilderung der Umstände wollte ich doch noch hören.
»Setzt euch hin und trinkt die Schokolade. Und dann noch mal alles von vorne.«
Sie erzählten, und ich notierte mir im Geiste, dass ich mir Ferdi, den Kaminfegerjungen, einmal zu einem ernsten Gespräch vorladen musste. Das Bubenstückchen war übel. Immerhin, meine Kinder waren aufrichtig, auch wenn ich den Eindruck hatte, dass sie mir irgendeine Kleinigkeit einmütig verschwiegen.Was das war, würde ich schon noch herausfinden. Ich wies sie an, sich Hände und Gesicht zu waschen, gab beiden jeweils ein Nachthemd von mir und scheuchte sie in mein Bett. Es war recht eng, aber wir rückten zusammen, und ich hielt meine Tochter und meinen Sohn, wie einst vor Jahren, als sie noch ganz klein waren, rechts und links in meinen Armen. Sie mussten sehr erschöpft sein, denn schon bald hörte ich ihr leises, gleichmäßiges Atmen. Langsam döste auch ich ein.
Ich schmuggelte die beiden in aller Frühe in Tante Caros Haus und berichtete der entsetzten Hannah in wenigen Worten, was geschehen war. Dann bat ich meine Cousine, die jungen Helden ohne viel Aufhebens für die Schule fertig zu machen und sich anschließend mit mir über mögliche Konsequenzen zu unterhalten. Ja, ich war sehr kurz angebunden und gab ihr damit zu verstehen, dass ich sie für nicht ganz unschuldig an dem Vorfall hielt.
Da ich nun schon mal im Haus war, nutzte ich die Gelegenheit, Madame Mira aufzusuchen. Tante Caro blieb gewöhnlich bis in die späteren Morgenstunden in ihrem Zimmer, weshalb ich nicht Gefahr lief, ihr zu begegnen. Hilde hingegen werkelte schon fleißig in der Küche, und ich stellte auf das Tablett, auf dem Madame Miras frugales Frühstück bestehend aus zwei Zwieback und einem Apfel angerichtet war, noch ein zweites Gedeck. Die bauchige Kaffeekanne, ein Butterbrötchen mit Käse und zwei dicke Scheiben Rosinenbrot kamen für mich dazu. Dann wuchtete ich die Last die Treppe hoch und schaffte es sogar, ohne die Ladung fallen zu lassen, an ihrer Zimmertür anzuklopfen.
»Oh, guten Morgen, Ariane.Was für eine Überraschung!«
Madame Mira hatte sich bereits angezogen und frisiert, sie duftete leicht nach Talkum und Kölnisch Wasser und räumte eigenhändig den Tisch frei, sodass ich für uns beide decken konnte.
»Wie geht es Ihnen? Sie sehen munter aus, Madame Mira.«
»Die warme Witterung tut meinen alten Knochen gut. Ich gehe jeden Tag zweimal um den Häuserblock. Und manchmal mit Hannah sogar bis zum Rhein. Aber wie kommt es, dass Sie zu so früher Stunde hier sind?«
Ich erzählte es ihr, und sie knabberte, aufmerksam lauschend, an ihrem in Kaffee gestippten Zwieback.
»Das musste ja irgendwann so kommen«, meinte sie schließlich. »Ich kenne diese alte Geschichte natürlich auch, aber ich habe es vorsorglich vermieden, den jungen Abenteurern davon zu berichten, weil ich mir schon dachte, dass das ihre Vorstellungskraft ungebührlich anregen würde.«
»Das heißt, der Kaminfegerjunge hat sich die Sache gar nicht ausgedacht?«
»Ach nein. Von dem Spukhaus am Eigelstein wusste schon meine Großmutter zu berichten. Und die ist anno siebzehnhundertdreißig geboren. Damals wurde das große Haus noch als Seidenweber-Manufaktur genutzt, aber als die Franzosen kamen, machten sie daraus eine Unterkunft für die Soldaten. Später hat ein Kaufmann den Hof und die einigermaßen intakten Gebäude als Lagerräume benutzt. Aber ich glaube, es steht jetzt seit Jahren leer. Ich habe keine Ahnung, wem es überhaupt gehört. Auf jeden Fall findet die Geschichte von
Weitere Kostenlose Bücher