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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Schnur, an der hoch über ihnen der bunte Drachen zerrte.
    »Wertes Fräulein, ich glaube, dieser hübsche Vogel gehört zu dir. Sehr geschickt bist du damit umgegangen.«
    »Oh, danke, gnädiger Herr.« Knickschen, aber nicht zu tief. »Aber ich glaube, er ist kaputt gegangen.Weil ich mich doch so dumm in den Rosen verfangen habe.«

    Vorsichtig legte der Mann den Drachen auf die Wiese und holte mit geschickten Bewegungen den seinen ein.
    »Ich denke, man wird ihn reparieren können. Soweit ich gesehen habe, ist nur die vordere Strebe angebrochen. Hast du jemand, der dir dabei helfen kann?«
    Laura besah sich den Schaden.
    »Ich hab ihn selbst gebaut. Also werde ich es auch selbst wieder hinkriegen. Sie haben recht, es ist nicht so schlimm. Mit ein bisschen Leim und einem Span wird’s wieder gehen.«
    »Er ist wunderschön bemalt. Hast du das auch selbst gemacht, junges Fräulein?«
    »Ja, ich bin ganz gut im Malen. Aber Ihrer ist auch phänomenal. Darf ich ihn mir mal angucken?«
    »Natürlich. Bitte sehr. Es ist ein original chinesischer Drachen. Mit fünf Krallen.«
    »Ist das wichtig?«
    »Sehr. Nur chinesische Drachen haben fünf, japanische haben vier und alle anderen nur drei.«
    Philipp hatte sein Fluggerät inzwischen auch vom Himmel geholt und war hinzugekommen. Mit einer höflichen, aber nicht zu tiefen Verbeugung begrüßte er den fremden Herrn und besah sich ebenfalls dessen Drachen mit fachkundiger Miene.
    »Das ist Philipp, mein Bruder. Und ich heiße Laura.«
    »Guten Tag, Laura, guten Tag, Philipp. Mich nennt man baixi long. «
    Klang irgendwie komisch, der Vorname. Aber er war ja sowieso für sie Herr Long.
    Und der war ja nun wirklich mal aufregend. Der hatte nämlich den Drachen selbst aus China mitgebracht, erzählte er.
    »Sie waren tatsächlich da? Und sind Sie durch die Wüste und über die hohen Berge hierher gereist? Durch all diese fremden Länder?«
    »Nein, ich habe den bequemeren Weg über See genommen. Marco Polos Route wäre mir zu anstrengend gewesen.«

    »Sind Sie auch mit einem Viermaster gesegelt? Oder sogar auf einem Dampfschiff gekommen?«
    Philipp war sofort in seinem Element.
    »Auf einem schnellen Klipper, der nur vier Monate von Schanghai bis Hamburg benötigt hat.«
    »Und es gab keine Piraten?«
    »Philipp, du bist lästig. Sie müssen meinen Bruder entschuldigen, Herr Long. Er will immer blutrünstige Geschichten hören.«
    Herr Long blinzelte Philipp verschwörerisch zu und meinte: »Natürlich gibt es Seeräuber in den chinesischen Gewässern. Sie segeln mit schnellen Dschunken und überfallen Handelsschiffe im Handstreich. Aber junge Damen wollen wir mit solchen brutalen Geschichten nicht verschrecken.«
    »Ach, Laura kann das ab.Wir haben über die Piraten auf dem Mississippi gelesen, und das hat sie gar nicht gegruselt.«
    »Eine wehrhafte und tapfere Dame also.«
    »Na ja, für ein Mädchen ist sie nicht übel.«
    »Pfff!«
    Herr Long lachte laut, und dabei sah man, dass er einen schiefen Zahn hatte, genau wie Philipp. Das war ja lustig.
    »Haben Sie auch den Himmelskaiser gesehen? Und Mandarine? Und mit Stäbchen gegessen?«, platzte es jetzt auch aus ihr heraus. Sie hatten ja doch letzthin viel über China gelernt. Nicht so sehr aus Marco Polos Reisen als vielmehr aus der Enzyklopädie, die sie bei der Lektüre immer wieder konsultieren mussten. Und dann hatte ja auch Madame Miras Leutnant einiges zu berichten gewusst.
    »Nein, den chinesischen Kaiser habe ich nicht getroffen. Aber mit den höfischen Beamten habe ich verhandelt, und selbstverständlich habe ich mit Stäbchen gegessen. Es blieb mir gar nichts anderes übrig. Und es ist auch nicht besonders schwer.«
    »Können Sie auch Chinesisch sprechen, Herr Long?«
    »Einigermaßen. Aber die Sprache ist ziemlich schwierig.«
    »Schwieriger als Latein? Das haben wir jetzt nämlich in der Schule.«

    »Es ist schwieriger, und ganz anders. Die Wörter haben, je nachdem wie man sie betont …«
    »Laura, Philipp!«
    »Oh, Mist. Hannah!«
    »Ja, Herr Long. Unsere Cousine sucht uns. Und wir dürfen eigentlich gar nicht mit fremden Männern sprechen.«
    »Das ist klug. Lauft und beruhigt eure Cousine.«
    »Danke, und auf Wiedersehen, Herr Long.«
    »Es hat mich gefreut, eure Bekanntschaft zu machen.«
    Der Herr machte eine sehr tiefe Verbeugung, nahm seinen Drachen und ging seines Weges. Sie rannten zu Hannah, die sie laut rufend suchte.
    In stillem Einverständnis aber verschwiegen sie ihr die Begegnung mit dem

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