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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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sie. Raus, nur raus. Durch die Tür – unmöglich. Das Fenster.
    Sie wankte hustend und nach Atem ringend zum Fenster, riss es auf, und schon fand das Flammentier neue Nahrung. Der Vorhang brannte bereits, als sie zurücksprang. Eingekesselt nun stand sie in dem Mansardenzimmer.
    Und in der höchsten Not wurde Nona zu dem, was sie immer war: ein Seidenwurm.
    Seide war ihre Freundin.
    Seide würde ihr helfen.
    Mit rasenden Fingern riss sie zwei voluminöse Tanzkleider von LouLou vom Haken und warf sie sich über den Kopf, wickelte sich darin ein. Blind humpelte sie zum Fenster, durch die Flammen, die gierig nach ihr leckten, fand die Öffnung, stieg auf den Sims und ließ sich fallen.
     
    Ich hatte LouLou den Arm fest um die Taille gelegt, um sie daran zu hindern, in das Brandmeer zu laufen. Sie stand starr und zitternd neben mir, während die Männer der Löschbrigade ihre Spritze in Stellung brachten. Plötzlich ging ein Schrei durch die Menge, und wie ein funkensprühender Komet flog ein brennendes Bündel aus dem Fenster des obersten Stocks auf die Straße und blieb dort regungslos liegen.
    LouLou war dort, bevor ich überhaupt richtig wahrnahm,
was es bedeutete, und riss mit bloßen Händen den glosenden Stoff auseinander.
    Als ich bei ihr ankam, hielt sie die bleiche, blutende Nona in ihren Armen, weinte stumm und wiegte sie wie ein kleines Kind.

Trauer und Verwirrung
    Ja, meine Seele will ich schildern,
Von Lieb und Traurigkeit verwirrt.
     
    Albrecht von Haller,Trauer-Ode
    Völlig erschöpft, mit wundem Hals von Rauch und unvergossenen Tränen, stieg ich aus der Droschke und musste den Kutscher bitten, auf mich zu warten, weil ich meine Börse aus dem Haus holen musste. Bei unserem überstürzten Aufbruch hatte ich an nichts gedacht, nicht einmal daran, die Tür abzusperren.
    Als ich wieder auf die Straße trat, hatte Drago den Mann bereits entlohnt und sah mich mit hochgezogener Braue an.
    »Was hast du angestellt, Ariane? Du siehst erbärmlich aus.«
    Er nahm mich fest am Arm und führte mich ins Haus. Ich stolperte über die Schwelle, und er stützte mich.
    »In die Küche«, bat ich.
    Dort sank ich auf einen Stuhl, während er die Lampe entzündete.
    Stimmt, er wollte am Abend vorbeikommen, wir wollten im Domhotel das Diner einnehmen. Ich hatte es völlig vergessen.
    »Wo warst du? Ich habe dich am Vaudeville gesucht, gleich nachdem ich von dem Brand gehört hatte.«
    »Mit LouLou im Bürgerhospital.« Ich vergrub mein Gesicht in den Händen.
    »Ist LouLou verletzt?«
    »Nein, Nona. Sie ist aus dem Fenster im obersten Stock gesprungen.«
    Ich stand auf, um im Herd das erloschene Feuer wieder zu entfachen. Dankenswerterweise schwieg Drago. Ich war viel
zu erschüttert, um über das Geschehene zu sprechen. Die einfachen Handreichungen halfen mir, mein Gleichgewicht ein klein wenig wiederherzustellen. Erst als der Tee zog und ich Tassen, Milch und Zucker auf den Tisch gestellt hatte, sprach er wieder.
    »Du solltest dich waschen und umziehen. Dein Kleid ist voll Ruß und Blut. Dein Gesicht auch.«
    Erst jetzt bemerkte ich auch das. Müde schleppte ich mich in mein Schlafzimmer, zog das verdorbene Kleid aus und reinigte mich über der Waschschüssel. Ein loses Unterkleid und der Morgenmantel mussten reichen, ausgehen würde ich heute bestimmt nicht mehr.
    Drago hatte bereits Tee eingegossen, und ich schloss meine kalten Hände um die Tasse.
    »LouLou hat vorhin angedeutet, dass es in der letzten Zeit Probleme gegeben hat. Ich fürchte, jemand wollte ihr Theater zerstören. Sie hat jemanden bezahlt, hat sie die ganze Zeit über wiederholt.«
    »Wen? Wächter?«
    »Ich weiß es nicht. Aber es muss sie viel Geld gekostet haben.«
    »Verstehe. Sie wurde vermutlich erpresst.«
    »O Gott, wie entsetzlich! Und jetzt das. Ob Nona es überlebt? Wahrscheinlich nicht«, sagte ich vor mich hin.
    »Wer ist sie, diese Nona?«
    »Hat LouLou dir nichts von ihr erzählt?«
    »Nein. Ich habe mir lediglich ein kurzes Bild von ihr gemacht, als ich LouLou vorige Woche aufgesucht habe.«
    Ich trank einen Schluck und ließ die Wärme in meinen Magen fließen.
    »Es gibt einen kleinen Seidenfaden, der in gewisser Weise auch dich mit ihr verbindet.«
    Ihm die Verbindung von Charnay, Nona und Servatius darzustellen, ließ mich ein wenig ruhiger werden. Er hörte aufmerksam zu, konzentriert und nachdenklich.

    »Es wird LouLou tief treffen, wenn Nona nicht überlebt«, meinte er schließlich.
    »Ja, sicher. Sie war sehr hilfreich

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