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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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hätte, Frau Wever. Ich hatte vor, Ihnen einen Vorschlag zu unterbreiten.«
    »Dem zuzuhören Sie von mir einfordern?«
    Ich sah ihr ins Gesicht und merkte ein Glitzern in ihren Augen.
    Na gut.

    »Richtig. Sie haben mich damals für eine kleine Näherin gehalten. Nun, ich bin etwas mehr als das. Ich ziehe es vor, mich als eine Couturière zu bezeichnen.«
    »Natürlich. Ich habe Sie auch fälschlich als Fräulein angesprochen, nicht wahr?«
    »Ich bin verwitwet und habe zwei Kinder, Frau Wever. Und ich bin in der schwierigen Situation, dass ich alleine für sie sorgen muss, da ich von meiner Familie keine Unterstützung zu erwarten habe.«
    »Da sind wir unserer schon zwei.«
    Jetzt zuckte es auch um ihre Mundwinkel.
    »Ich bin weiterhin in der ausgesprochen schwierigen Lage, dass ich derzeit meine Leistungen den Damen der – mhm …«
    Verflixt, was immer ich jetzt sagte, es war wieder einmal von krasser Unhöflichkeit.
    LouLou Wever ergänzte ungerührt: »… sie nicht unseren gutbürgerlichen Damen anbieten können. Die Gelegenheit haben Sie sich mit einem wohlgezielten Faustschlag zunichtegemacht.«
    So war das also. Bis hierhin war mein verbaler Missgriff vorgedrungen.
    »Verzeihen Sie, Frau Kusan, ich habe mir, da ich mich an Ihren Namen erinnerte, erlaubt, einige Erkundigungen über Sie einzuholen, als mir Marquardt im Dezember von diesem fulminanten Auftritt bei Belderbuschs berichtete. Verdammt, was hätte ich da gerne Mäuschen gespielt!«
    »Huch!«
    Jetzt grinste sie mich breit an.
    »Schlagfertigkeit ist eine hohe Kunst. Sie auch noch in saubere Reime zu verpacken, ist in meinen Augen ein unschätzbarer Wert. Sie werden gleich verstehen, warum.«
    Und dann berichtete LouLou Wever mir von ihren Plänen. Sie war dabei, ein kleines Vaudeville-Theater zu eröffnen. Im Nordwesten von Köln, an der alten Stadtmauer, hatte sie bereits ein entsprechendes Gebäude gemietet.

    »Unsere Stadtväter haben den Bau des Central-Bahnhofs gebilligt, und die Brücke nach Deutz wird auch gebaut, Frau Kusan. Damit ist Köln ein Verkehrsknotenpunkt und angebunden an die großen Ost-West- und die Nord-Süd-Verbindungen. Reisende werden hier Aufenthalt nehmen, um auf ihre Anschlüsse zu warten. Sie brauchen Unterkünfte, viel mehr aber auch Unterhaltung. Keine vornehmen Theaterstücke, Opern oder Schauspiele, sondern witzige Einakter, Mädchen, die freche Couplets singen, Frauen, die beim Tanzen die Beine zeigen. Dabei möchten sie Champagner und Wein trinken und mit den Serviermädchen flirten. Das will ich ihnen bieten. Schockiert Sie das, Frau Kusan?«
    Ich hatte geradezu fasziniert zugehört. LouLou Wever hatte einen glasklaren und messerscharfen Verstand, und ich zweifelte keinen Augenblick daran, dass sie mit der Einschätzung der Lage völlig richtig lag. Ich hatte gewusst, dass sie sich am Rande der guten Gesellschaft oder sogar in der Halbwelt bewegte. Mir war durchaus klar, dass ich, wenn ich mit ihr ins Geschäft käme, mich ebenfalls an dieser Grenze bewegen würde. Einen kleinen Augenblick zögerte ich.
    Dann dachte ich an meine Eltern.
    Und warf meine Bedenken genauso über Bord wie Philipp ein meuterndes Besatzungsmitglied.
    »Die Sängerinnen und Tänzerinnen werden aufsehenerregende Gewänder benötigen, die Schauspieler Kostüme«, überging ich ihre Frage nach meiner sittlichen Befindlichkeit. »Und die Serviermädchen sollten ebenfalls einheitliche, ansprechende Kleider tragen.«
    Anerkennend nickte sie.
    »Sie wittern ein Geschäft.«
    »Sie nicht?«
    »Doch.«
    Wir sahen uns eine Weile schweigend an. Dann fuhr sie fort: »Ich nehme an, dieses schlichte Kleid, das Sie heute tragen, haben Sie geschneidert.«

    »Richtig.«
    »Ich kaufe keine Katze im Sack. Können Sie mir ein, zwei möglicherweise aufwändigere Kreationen zeigen?«
    »Natürlich.«
    »Und schlagfertige Verse können Sie auch dichten, nicht wahr?«
    »Ich fürchte, ja.«
    »Ein Kapital, Frau Kusan. Nutzen Sie es. Ich zahle gut für ein paar freche Reime.«
    »Sie meinen …« Jetzt war ich tatsächlich perplex. LouLou Wever jedoch überging meine momentane Sprachlähmung und sagte: »Kommen Sie morgen mit Ihren Roben vorbei, und nun essen Sie endlich einen dieser Kuchen. Meine Haushälterin ist zwar ein mürrisches Huhn, aber backen kann sie.«
    Da mir mehrere Steine vom Herzen gefallen waren, folgte ich ihrem Rat, und bei dem köstlichen Gebäck plauderten wir anschließend noch eine halbe Stunde über allerlei Nichtigkeiten.
    Die Welt

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