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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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versuchte, half sie ihr.

    »Sind Sie krank? Hat der Stein Sie verletzt?«
    »Sie versteht kein Deutsch«, informierte ihr Bruder sie.
    »Oh. Dann sollten wir Mama holen. Die kann fremde Sprachen.«
    »Mama empfängt heute.«
    »Pah, die langweilt sich bestimmt zu Tode in dem Gluckenhaufen. Sie hat gesagt, wenn was wichtig ist, sollen wir sie ruhig rufen.«
    »Dann mach das, aber zieh vorher diesen Schmierlappen aus.« Nach diesen aufmunternden Worten wandte sich Philipp wieder an die Weißhaarige und sprach ganz langsam zu ihr: »Laura holt Mama. Sie hilft Ihnen.«
    »Maman?«
    Philipp deutete auf sich und dann hinter Laura her.
    »Deine Maman.« Die Frau nickte und versuchte noch einmal aufzustehen. Philipp deutete ihr an, dass sie am Boden sitzen bleiben sollte.
     
    Laura hatte die Schürze in der Küche achtlos über einen Stuhl geworfen und stob die Treppe hinauf zum Salon. Das war ja wie Captain Mio aus Seenot retten! Nur viel aufregender. Sie hielt sich nicht lange mit höflichem Anklopfen auf – es war ja schließlich ein Notfall, oder? -, sondern machte die Tür auf und bremste ihren Lauf gerade so weit ab, dass sie einen kleinen Knicks zelebrieren konnte.
    »Mama, wir haben eine kranke Frau gefunden, kannst du helfen kommen? Franz hat nämlich mit Steinen nach ihr geworfen!«, sprudelte sie hervor.
    »Laura, Kind, du kannst doch hier nicht einfach so hereinstürzen. Wir haben Besuch!«
    Tante Caro machte ein empörtes Gesicht, und auch die anderen Damen, vier an der Zahl, maßen sie mit höchster Missbilligung.
    Nur Mama stand sofort auf, machte eine steife kleine Verbeugung und sagte mit kühler Stimme, die sie immer dann hatte,
wenn sie etwas missbilligte: »Verzeihen Sie, meine Damen, wie es aussieht, muss ich mich um eine Verletzte kümmern. Tätige Nächstenliebe ist hoffentlich auch in Ihren Augen der Diskussion über Wohltätigkeitsveranstaltungen vorzuziehen. Einen angenehmen Nachmittag noch, meine Damen.«
    Laura war stolz auf Mama!
    »So, und wo ist das Opfer, Laura?«
    »Im Hof. Philipp ist bei ihr.Aber sie kann nicht Deutsch. Und sie ist ganz weiß.«
    Sie eilten die Stiege hinunter, so schnell es die weiten Röcke des ausladenden Besuchskleids erlaubten, und dann lief Mama auch schon auf die Frau zu.
    »Fräulein, sind Sie verletzt?«
    »Madame, isch nischt verstehen.«
    »Vous êtes blessée? Malade?«
    Philipp seufzte genauso erleichtert auf wie die Weißhaarige. Mama war wunderbar. Sie konnte mit ihr sprechen, und nach einem kurzen Wortwechsel half sie ihr sogar auf.
    »Philipp, Laura, dies ist Mademoiselle Nona aus Lyon. Sie hat kein Geld und ist sehr hungrig. Wir werden jetzt in die Küche gehen und ihr etwas zu essen richten.Wo ist deine Schürze, mein Fräulein?«
    Mist, Mama merkte aber auch alles.
    »Sie ist ein bisschen schmutzig geworden, darum hab ich sie abgenommen, bevor ich dich geholt hab.«
    »Kluges Kind.« Mama bugsierte die hinkende Frau durch den Hintereingang in die Küche und half ihr, sich auf einen Stuhl nahe am Herd zu setzen. Hier in dem warmen Raum merkte man, dass sie nicht besonders gut roch, und ein Blick auf Mamas Gesicht zeigte Laura, dass auch sie es bemerkt hatte.
    »Ihr zwei werdet am besten den Badeofen anheizen. Das könnt ihr doch.«
    »Ja, Mama.«
    »Dann beeilt euch. Wenn Tante Caro fragt, was los ist, dann schickt sie zu mir.«

    »Ja, Mama.«
    Laura wäre zwar gerne in der Küche geblieben, um mehr über diese seltsame Nona zu erfahren, andererseits drängte es sie auch, sich mit ihrem Bruder über das Erlebnis auszutauschen.
    Der kniete schon am Ofen und befüllte ihn mit zerknüllten Zeitungen und Kienspänen. Laura reichte ihm die Schachtel mit den Zündhölzern.
    »Tante Caro war sauer«, erklärte sie kurz.
    »’türlich. Aber Mama hat das gut gemacht. Der Pastor sagt doch immer, dass man den Armen helfen soll.«
    »Sie ist arm, nicht? Mama hat gesagt, sie hat kein Geld.«
    »Sie hat im Abfall nach Essensresten gesucht, hat Franz gesagt. Das tut nur das Bettelvolk, sagt er.«
    »Franz ist ein Stinkstiefel.« Dann rieb sich Laura die Nase, und etwas Kohlenstaub blieb daran hängen. »Aber …« Ein furchtbarer Gedanke fasste in Laura Fuß. »Weißt du, Mama hat doch gesagt, wir hätten auch kein Geld. Glaubst du, dass wir auch bald hungern müssen?«
    »Sie hat gesagt, Tante Caro hat ihr Vermögen verjuxt, und wir haben nur ganz wenig Geld. Aber ich denke, Mama wird schon eine Möglichkeit finden, damit wir was zu essen haben. Und ich kann auch

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