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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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auch Herr Wever, der dir gewiss erklären wird, wie er funktioniert«, warf Mama ein, und die zweite Welle der Glückseligkeit brachte Philipp zum Schweigen.
    »Nun, genug der Warenkunde, meine Kinder. Madame Mira, mir ist heute ein Geschenk des Himmels ins Haus gestolpert. Oder besser, diese beiden jungen Samariter haben es gefunden.«
    »Sie sind ja auch kluge junge Leute. Was ist es? Hat es mit dem Krawall zu tun, den ich vorhin auf der Treppe zu hören meinte?«
    »Ja, das hat es. Eine junge Französin, die mittellos in Köln gelandet ist, haben sie uns beschert. Sie wollte mit ihrer Freundin Arbeit suchen, aber das lose Ding hat sie sitzen lassen. Nona scheint nicht sehr robust zu sein, vor allem sind ihre Sprachkenntnisse nicht so gut, dass sie sich selbst helfen kann. Aber sie ist eine Näherin. Handschuhe hat sie bisher genäht.«
    »Ei, ei, das verlangt Fingerspitzengefühl.«

    »Sie wird vermutlich auch Knopflöcher, Kragen, Rüschen und Säume nähen können. Ich werde sie ein paar Tage aufpäppeln und dann sehen, was sie kann.« Und dann schwoll Lauras Herz vor lauter Stolz, denn mit einem Augenzwinkern bat Mama sie und Philipp: »Ihr beide werdet ihr unsere Sprache beibringen. Ich bin sicher, das könnt ihr ganz besonders gut. Wenn ihr dabei ein bisschen Französisch lernt, kann das auch nicht schaden.«
    »Ja, Mama«, sagten beide gehorsam.

Kranke Raupen
    Wohltätig ist des Feuers Macht,
Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht,
Und was er bildet und was er schafft,
Das dankt er dieser Himmelkraft.
     
    Friedrich Schiller, Das Lied von der Glocke
    Die Stichflamme schoss gegen den verhangenen Himmel, und mit einem Krachen stürzte das Dach des großen Schuppens ein. Die Hitze des Feuers strahlte bis zu Guillaume de Charnay, der halb von den blühenden Mimosenbüschen verdeckt dem Schauspiel zusah, zu dessen Aufführung er im vergangenen Herbst die zündende Idee hatte. Jetzt, fünf Monate später, trug die Saat Früchte. Der heimliche Besuch der Lagerräume für die Seidenspinnereier in einer eisigen, finsteren Winternacht bei seinem Nachbarn hatte sich gelohnt. Aus den von ihm dort deponierten Eiern waren braunfleckige Raupen geschlüpft, die zwar anfangs noch gierig fraßen, dann aber nach der zweiten oder dritten Häutung nicht mehr aufwachten.
    Der gesamte Bestand seines Nachbarn war inzwischen infiziert, und es gab nach derzeitigen Erkenntnissen keine andere Möglichkeit, als die gesamte Zucht zu vernichten.
    Durch Feuer.
    Durch heißes, reinigendes Feuer.
    Charnay verehrte das Feuer; es war ihm mehr als eine Wärmequelle, mehr als Licht. Es war eine Urgewalt, so wie es sich dort durch das trockene Holz des Schuppens fraß. Genug Nahrung fand es darin, die Borde, die Hürden, die Weidenzweige, an
denen die Raupen sich hätten einspinnen sollen, alles das knisterte nun, sprühte Funken, flackerte auf und wurde zu Asche.
    Reine, saubere Asche, der keine Spur von Krankheit mehr anhaftete.
    Mit Feuer wurde das Übel getilgt, schon immer war es so gewesen. Eine Sintflut mochte die unreine Menschenbrut vernichtet haben, doch hatten die Letzten ihrer Art überlebt. Das Feuer überlebte niemand, sonst hätte die Kirche die Ketzer und Hexen nicht auf den Scheiterhaufen gebracht.
    Angenehm erschaudernd stellte sich Charnay eine sich windende, nackte Hexe in den heftig lodernden Flammen des Holzschuppens vor, und der Muskel in seiner Wange begann wie wild zu zucken. Eine Möglichkeit, vielleicht. Irgendwann.
    Jetzt aber war es Genugtuung und Befriedigung in ausreichendem Maße, zu sehen, wie das Geschick seines Nachbarn in Flammen aufging und in dem Feuer Tausende von Raupen ihr Leben ließen.
    Feuer war Macht, wer das Feuer beherrschte, hatte teil an seiner Macht. Er spürte die Macht seit jenen Tagen in sich, als er lebend aus der Flammenhölle entkommen war. Das war kein Zufall, zumindest nicht in seinen Augen. Das Feuer hatte ihn verschont, damit er seiner Macht diente. Es hatte ihn reich beschenkt, ihm ein Leben in Wohlstand beschert und die bestraft, die ihn verhöhnten und verachteten.
    Wie jetzt auch.
    Das Abbrennen der Zuchtschuppen hätte vermieden werden können, hätte sein Nachbar ihn nicht wegen seines lächerlichen Ziegenkäses abgewiesen. So waren nun – mit ein wenig Unterstützung von seiner Seite aus – dessen Raupen von der Schlafkrankheit befallen, die schon so manchen Seidenbauer an den Rand des Ruins gebracht hatte.
    Seine Raupen hingegen waren gesund, dank der peniblen Kontrollen,

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