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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Accessoires entscheiden mussten, hatten wir beiden Frauen es aufgegeben, uns mit Formalitäten abzugeben, und mich erleichterte es, einen freundschaftlichen Umgangston pflegen zu können. LouLou war mir außerordentlich sympathisch,
obwohl sie mir eigentlich nicht mit besonderer Herzlichkeit begegnete, sondern eine seltsame Distanz hielt und mich sogar oft mit kleinen Zynismen bedachte. Manchmal beschlich mich der Verdacht, dass sie mehr über mich wusste, als sie zugab. Das wäre durchaus möglich gewesen, denn sie kannte eine Reihe Leute, die über allerlei Informationen verfügten, von denen die Bekannten aus Tante Caros Umfeld nie ahnten, dass darüber an anderer Stelle gesprochen wurde.Vor allem die Damen aus dem horizontalen Gewerbe waren erstaunlich gut über die Ereignisse in der guten Gesellschaft informiert.
    Und LouLou stand mit einigen von ihnen in Kontakt. Das hatte sie mir eines Tages unter die Nase gerieben, wohl um zu sehen, wie weit meine Toleranz ging.
    Eingedenk Madame Miras Worten, dass man immer berücksichtigen sollte, warum jemand einen solchen Weg einschlug, hatte ich nur mit den Schultern gezuckt und gesagt: »Du wirst deine Gründe gehabt haben, dich mit ihnen anzufreunden.«
    »Ja, die hatte ich«, knurrte sie daraufhin.
    »LouLou, ganz weltfremd bin ich nicht.«
    »Nein, bist du nicht, sonst wärst du nicht hier.« Ihr Lächeln war dennoch bitter. »Aber das ganze Ausmaß der Heuchelei würde dich dennoch entsetzen, wenn du es mit eigenen Augen sähest, fürchte ich.«
    »Vielleicht. Ich hatte schon immer den Verdacht, dass die ehrbare Fassade einiger Herren aus dünnem Pappmaché besteht.«
    »Richtig. Und du kannst davon ausgehen, je strenger die Moralhüter auftreten, desto heftiger brodelt es im Untergrund. Der menschliche Trieb nach dem Genuss des Verbotenen lässt sich nicht unterdrücken, er lebt sich in einem Zwielicht aus. Was glaubst du wohl, wie viele der stadtbekannten Honoratioren in diesem Bereich zu Gast sind. Und wie viel Geld sie für ihre heimlichen, oft perversen Vergnügungen bezahlen!«
    »Offensichtlich reichlich.«
    »Reichlich, und sie werden jetzt bei mir noch mehr ausgeben. Allerdings nicht mehr, um ihre unterdrückten Perversionen auszuleben.
Aber solange man in den vornehmen Salons das Wort Beine nicht in den Mund nehmen darf, wird es mir ein Vergnügen sein, ihnen die meinen für teures Geld zu zeigen. In der sicheren Entfernung, auf der Bühne.«
    »Keine weiteren – ähm – Dienstleistungen?«
    »Von mir nicht, aber was die Mädchen machen, das will ich nicht zu genau überprüfen. Nur eines ist klar:Wenn sie schwanger werden, fliegen sie raus.«
    »Das ist hart.«
    »Nein, ist es nicht. Ich habe ihnen gesagt, mit welchen Methoden man es vermeiden kann. Also ist es ihr Risiko, wenn sie sich ihren Lohn aufbessern wollen. Hast du jetzt Bedenken, weiter für mich zu arbeiten?«
    »Nein. LouLou, ich bin auf einem Gutshof aufgewachsen, mein Vater betrieb eine Pferdezucht. Mir war schon recht früh bekannt, dass die Fohlen nicht vom Klapperstorch aus dem Teich gefischt wurden. Meine Mutter hat mir diesbezügliche Fragen dezent, aber offen beantwortet. Aber natürlich weiß ich, dass die Damen der guten Gesellschaft in dem Glauben erzogen worden sind, ihr Körper sei eine Ansammlung von Peinlichkeiten.«
    LouLou schnaubte verächtlich.
    »Das hast du präzise ausgedrückt.«
    »Ich habe mich nie als ein Haufen Peinlichkeit gesehen. Meine Ehe war … mhm … diesbezüglich ziemlich … mhm … glücklich.«
    »In gehobenen Kreisen vermutlich eine Ausnahme. Ich glaube, die wenigsten Damen entwickeln ein unverkrampftes Verhältnis zu ihren Gatten. Männer werden von ihren Vätern, Brüdern oder Freunden allerdings anders belehrt. Du glaubst nicht, wie viele junge Männer ihre Lehrstunden in den Bordellen erhalten.«
    »Hat mein Bruder auch, LouLou. Und er hat mir sogar davon erzählt«, erwiderte ich nüchtern und freute mich daran, dass LouLou dann doch die Worte fehlten. Ich erlaubte mir, ihr ein
wenig aus meiner Familie zu erzählen, was ich, seit ich bei Tante Caro lebte, nur sehr selten und in sehr zensierter Form getan hatte.
    »Mein Vater ist zu dem Gut in Hiltrup eher zufällig gekommen, weil zwei der vorrangigen Erben plötzlich verstorben waren. Er ist von ganzem Herzen Maler, und das Führen eines landwirtschaftlichen Betriebs lag ihm weidlich fern. Aber die Erträge waren anfangs wohl recht gut. Zudem fand er dort in meiner Mutter eine Frau, die seine

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