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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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von Vermutungen. Und zwar spektakulärster Art. Da Helene ihre verbale Inkontinenz nie eindämmen konnte, beugte sie sich jetzt vor und sprach in einem so durchdringenden Flüsterton, dass alle aufmerksam ihre Köpfe zu ihr wandten.
    »Sie will dem Skandal entgehen. Aber ich fürchte, meine Lieben, selbst wenn sie zurückkehrt, werden wir sie nicht mehr empfangen können.«
    »Mein Gott, was ist ihr widerfahren?«
    »Das Schlimmste, liebe Frau Elenz. Ach, ich kann es kaum fassen. Sie war immer eine so nette Person. Und nun das!«
    Ich fragte mich allmählich, ob sie ihren Gatten gemeuchelt, in handliche Stücke zerlegt und öffentlich an die streunenden Hunde der Stadt verfüttert hatte.Verdient hätte der Kerl das.
    »Ja, ich habe es auch munkeln gehört. Ist es denn wahr, Frau von Schnorr? Ist es wirklich wahr?«
    »Ja, Liebste. Sie hat es getan.«
    »Was?«, konnte ich mich einfach nicht zurückhalten zu fragen.
    Ich erhielt einen strafenden Blick, dann aber kündete Helenen von der Sünde.
    »Sie hat sich von ihrem Gatten scheiden lassen.«

    »Heilige Jungfrau, beschütze uns!«, entfuhr es einer der Damen, und ich fragte mich, wovor Maria sie in Schutz nehmen sollte.Vor der Ansteckungsgefahr, die von Scheidungen ausging? Oder vor Johanna selbst?
    »Du liebes bisschen, aber sie hat doch eine kleine Tochter. So ein süßes Ding.Wie kann sie nur?«
    »Ihre Tochter hat sie mitgenommen, als sie die Stadt verließ!«
    »Wie schrecklich! Wie trägt es ihr Gatte? Das muss ja ein Schlag für ihn sein.«
    Ich hatte da so meine eigenen Gedanken. Gustav Hempel war mir, dank LouLou, kein Unbekannter.Was mich mehr und mehr ärgerte, war das dümmliche und scheinheilige Getue der Sittenrichterinnen, die Johanna verdammten.
    »Er wird dafür sorgen, dass das Kind zu ihm zurückkommt. Johanna kann man seine Tochter ja nicht überlassen. Wer weiß, was für einen lockeren Lebenswandel sie zu pflegen beabsichtigt. Eine geschiedene Frau zieht ja Wüstlinge an wie der Nektar die Bienen.«
    »Nun, auf jeden Fall werde ich sie nicht mehr grüßen, wenn ich ihr begegnen sollte.«
    »Wir werden den armen Gustav gleich morgen zum Essen einladen.«
    Sie verrissen Johanna mit Genuss und weideten sich an den Vorstellungen, was für ein Lotterleben sie nun führen würde. Ich biss die Zähne zusammen und schluckte und schluckte. Doch als dann die oberste Heuchlerin noch einmal davon anfing, man müsse Hempel helfen, seine sechsjährige Tochter zurückzubekommen, konnte ich meinen Mund nicht mehr halten.
    »Ich hoffe, dass er nie Gelegenheit hat, Hand auf das unschuldige Kind zu legen, meine Damen. Sie mögen empört sein über Johannas Tat, aber ich sage Ihnen, sie hat richtig gehandelt. Meine Achtung hat sie damit gewonnen.«
    »Ariane! Wie kannst du so etwas sagen. Eine Frau darf sich nicht scheiden lassen. Ein Paar gehört zusammen. In guten und in bösen Zeiten. Bis dass der Tod sie scheidet.«

    Tante Caro flatterte. Andere stimmten ein.
    Ich unterbrach sie, denn die Wut in mir verhielt sich wie der Dampf in einem überhitzten Kessel, und ich fauchte entsprechend.
    »Gustav Hempel, so weiß ich aus sicheren Quellen, ist ein Säufer. Schlimmer, er ist ein ständiger Gast in den hiesigen Bordellen. Wollen Sie einem solch liederlichen Menschen ein sechsjähriges Mädchen anvertrauen? Er sucht Vergnügungsstätten auf, die Ihnen noch nicht einmal dem Namen nach bekannt sind, er verspielt sein Vermögen und vermutlich auch das seiner Frau in den übelsten Kaschemmen. Warum sollte Johanna sich das gefallen lassen? Er hat sich, soweit ich weiß, bereits mit der Syphilis angesteckt. Muss eine Frau das erdulden? Und noch mehr, meine liebsten Damen – er bevorzugt elf- und zwölfjährige Jungfrauen zur Befriedigung seiner perversen Gelüste. Soll seine Tochter wirklich in seiner Obhut «, dieses Wort spuckte ich förmlich aus, »aufwachsen?«
    Die ehrbare Meute blickte mich mit hervorquellenden Augen an.
    Sprachlos.
    Ich erhob mich, nickte hoheitsvoll in die Runde und sagte dann mit so ruhiger Stimme, die mich selbst überraschte: »Ich verstehe. Ich selbst habe keinen Wunsch, in einem Kreis wie dem Ihren weiterhin empfangen zu werden. Sie haben alle zusammen nicht mehr Hirn als ein zu lange ausgekochtes Suppenhuhn. Einen schönen Tag noch, meine Damen. Tante Caro, bemüh dich gar nicht erst aufzustehen, ich finde alleine nach Hause.«
    Das war gelogen. Meine Knie zitterten, als ich vor der Tür stand. Ein mitleidiger Passant rief mir eine

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