Goldbrokat
Droschke, und ich ließ mich zu LouLou fahren. Sie war um diese Uhrzeit meistens im Theater anzutreffen, um ihre Auftritte zu üben, mit den Akteuren zu proben und allgemein nach dem Rechten zu sehen.
Nona öffnete mir auf mein Klopfen und brachte mich hinter die Bühne.
»Sie tanzt gerade, Madame Ariane.«
»Gut, ich warte.«
»Pardon, Sie sehen müde aus. Setzen Sie sich.«
Dankbar nahm ich auf einem gepolsterten Hocker Platz, und kurz darauf kam LouLou herein. Sie roch nach Schweiß und Puder, ihre Haare ringelten sich feucht um Stirn und Nacken, aber ihr Gesicht glühte. Immer wenn sie getanzt hatte, sah sie fast schön aus.
»Dir ist etwas passiert, Ariane? Du wirkst verstört. Nona, hol Madame ein Glas Champagner.« Sie lächelte. »Champagner hilft immer.«
»Besser als Tee im Augenblick.«
Sie wartete, bis Nona mir das Getränk gereicht hatte. Dann hob ich das Glas und bot den beiden Salut.
»Auf die neue Ariane. Die Ausgestoßene! Sie lebe hoch!«
»Vivat!«
Ich trank das Glas halb leer, stellte es ab und rieb mir die Augen.
»Gustav Hempel war mein Verderben. Seine Frau hat sich von ihm scheiden lassen, und ich habe mich auf ihre Seite geschlagen.«
»War auch an der Zeit, dass sie ihn loswurde. Der Mann ist eine Pest. Ich habe ihm Hausverbot erteilt. Ich will nicht, dass er meine Mädchen ansteckt. Aber was für Folgen hat das jetzt für dich?«
»Sehr einfach, LouLou. Meine Entscheidung für das Atelier in der Zeughausstraße ist somit gefallen. Denn ich werde bei Tante Caro ausziehen und sehen, ob ich die obere Etage auch noch mieten kann.Verdammt, ich wollte das nicht, aber jetzt habe ich meine Kinder da mit hineingezogen.«
»Such dir ein vertrauenswürdiges Kindermädchen und lass sie bei deiner Tante wohnen.«
»Sie wird uns samt und sonders die Tür weisen.«
»Ariane, du bist im Augenblick nicht in der Lage, klar zu denken.«
»Nein!«, sagte ich und half dem Umstand weiter nach, indem ich das Glas leerte.
»Dann tue ich das für dich. Deine Tante ist pleite, richtig?«
»Ja, sicher.«
»Du unterstützt sie.«
»Sicher.«
»Wenn du ausziehst, sitzt sie auf dem Trockenen.«
»Sitzt sie.«
»Lass die Kinder bei ihr, such ein anständiges Kindermädchen und unterstütze sie weiter. Dann wird sie schon den Mund halten, und die Kinder haben ein achtbares Zuhause.«
»Ich mag sie nicht verlassen.« Die Tränen brannten mir inzwischen hinter den Lidern.
»Du meine Güte, ihr wohnt ein paar Straßen voneinander entfernt. Du kannst sie jeden Tag sehen. Und wenn die Turbulenzen sich gelegt haben, suchst du eine geeignete Wohnung für euch zusammen.«
»Wahrscheinlich hast du recht, LouLou.«
»Nicht nur wahrscheinlich.« Und dann tätschelte sie mir die Schulter. »Und vergiss meinen stockfischigen Bruder nicht. Der hat schließlich auch einen Narren an dir gefressen.«
»Bin gespannt, wie Gernot auf meine neueste Eskapade reagieren wird.«
»Ich auch!« LouLou grinste. »Komm, lass die Ohren nicht hängen. Du hast eine prächtige Attacke geritten, jetzt verschenk den Sieg nicht.«
»Hast du seit Neuestem Gäste aus der Kavallerie hier?«
»Wie kommst du nur darauf?«
Da mir ein bisschen leichter zu Mute war, lächelte ich also auch.
»Gut, dann sattle ich mein Schlachtross jetzt noch einmal und erlege einen aufgeregten Sperling.«
Die Auseinandersetzung begann in dem Augenblick, als ich durch die Tür des Salons trat. Tante Caro hatte sich bereits mit
einem Riechfläschchen versorgt, und als sie meiner ansichtig wurde, stöhnte sie auf.
»Deine Schauspielkunst in Ehren, Tante Caro, an mich ist sie verschwendet.«
»Kind, wie konntest du nur?«
»Wie konnte ich die Wahrheit sagen? Das fällt mir gewöhnlich leichter, als zu heucheln,Tante Caro. Das solltest du allmählich gemerkt haben. Und wenn du dich jetzt fragst, woher ich diese undelikaten Einzelheiten von Hempels ekelhaften Gepflogenheiten habe, dann werde ich dir das auch verraten.«
»Ich will das gar nicht wissen. Es ist böswilliger Tratsch und Verleumdung!«
»Du hörst mir zu,Tante Caro, und spar dir deine Vapeurs!« Ich nahm ihr das Riechfläschchen weg und schenkte ihr stattdessen einen Cognac ein.
»Gernot Wevers Schwester LouLou ist meine Freundin.«
»Du hast mir nie erzählt, dass er eine Schwester hat. Und schon gar nicht, dass sie deine Freundin ist«, jammerte Tante Caro.
»Du würdest sie nicht empfangen. Deshalb habe ich sie gar nicht erst in die Verlegenheit gebracht, sie mit dir
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