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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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bekannt zu machen.«
    »Aber … aber Herr Wever ist doch …«
    »Ein Mann aus kleinen Verhältnissen. Er hat sich hochgearbeitet, seine Schwester auch. Er in den Fabriken, sie in Tanzcafés und Boudoires. Heute ist er Unternehmer und sie Besitzerin des ›Salon Vaudeville‹, von dem du auch schon gehört hast. Ich fertige die Kostüme für sie und ihre Akteure.«
    Tante Caro schnappte nach Luft. Ich drückte ihr das Glas in die Hand und zwang sie, einen Schluck zu nehmen. Dann hustete sie und röchelte: »Du hast für eine … eine …«
    »Theaterbesitzerin,Tante Caro. Und ich arbeite auch weiterhin für sie.Was glaubst du wohl, wie ich ansonsten zu dem Geld kommen konnte, mit dem ich deinen Haushalt unterhalte? Aber um auf den Punkt zurückzukommen – LouLou hat aus erster
Hand Informationen über Gustav Hempel und sein unappetitliches Verhalten. Zu ihrer Ehrenrettung muss ich sagen, dass er in ihrem Haus nicht geduldet ist. Anders als in den Häusern der ehrbaren Damen, die du deine Bekannten nennst.«
    »Ich glaube das nicht. Nein, das glaube ich nicht. Und ich verbiete dir...«
    »Du hast mir nichts zu verbieten«, fuhr ich ihr über den Mund. Die besänftigende Wirkung des Champagners war verflogen, und ich berichtete ihr über die Maßnahmen, die ich zu ergreifen gedachte. Dann überließ ich sie ihren Vapeurs und ging in mein Zimmer.
    Kaum hatte ich die Tür geschlossen, klopfte es aber schon, und Laura steckte ihre Nase herein.
    »Na, dann kommt. Ihr habt gelauscht, nehme ich an.«
    »Ja, Mama.«
    »Gut, das erspart mir größere Erklärungen.«
    »Du gehst weg.«
    Philipp bemühte sich um einen gleichmütigen Ton, aber ich kannte ihn. Ich konnte die Gefühle beider in ihren Gesichtern lesen.
    »Ich ziehe aus diesem Haus aus, aber ich verlasse euch nicht.« »Du lässt uns alleine.Wie Papa.«
    Großer Gott, in was für einen Schlamassel hatte ich mich nur gebracht.
    »Nein, ich lasse euch nicht alleine. Übermorgen gehen wir zusammen in die Zeughausstraße, und ich zeige euch, wo ich mein Atelier aufmachen werde.«
    »Warum können wir nicht auch dahin ziehen?«
    »Weil es zu klein für uns zusammen ist. Laura, Philipp – ich muss erst noch etwas mehr Geld verdienen, um ein großes Haus zu mieten. Gebt doch wenigstens ihr mir eine Chance.«
    Ich war langsam so verzweifelt, dass mir wirklich die Tränen in den Augen standen.
    »Ich will nicht alleine bei Tante Caro bleiben«, maulte Philipp, und Laura schloss sich an.

    »Ich werde ein besonders nettes Kindermädchen …«
    »Ich will auch kein Kindermädchen. Die sind doof.Wie Fräulein Hedwig. Bah!«
    »Ich verspreche, dass sie viel lieber sein wird als Fräulein Hedwig. Bitte versteht mich doch. Ich habe mich mit Tante Caros Bekannten verzankt. Ich weiß ja, dass es dumm war, aber sie sind so entsetzlich blöde.«
    Ich stützte meine Stirn in meine Handflächen und rieb meine brennenden Augen.
    »Worüber hast du gezankt, Mama?«
    Was konnte ich noch verlieren? Der Klatsch würde ihnen eine verdrehte Version liefern. Also versuchte ich meinen neun und zehn Jahre alten Kindern zu erklären, warum Ehen auseinandergehen konnten und was eine Scheidung bedeutete.
    »Er war fies zu ihr, und sie will nichts mehr mit ihm zu tun haben, und deswegen ist sie bei den Gackerhühnern im Verschiss?« Philipp sah mich ungläubig an.
    »So kann man es in kurzen Worten ausdrücken.«
    »Ich glaub, die sind dumm, Mama. Und du hattest recht. Aber jetzt sind sie dir auch böse und schneiden dich. Lass uns doch zusammen von hier weggehen.«
    »Erst brauche ich Geld, Philipp. Und das kann ich sehr gut hier verdienen. Allerdings nur zusammen mit Nona und Herrn Wevers Schwester LouLou.«
    So weit die geschönte Wahrheit. Meine Kinder schmollten und disputierten noch eine ganze Weile, und ich bemühte mich, so gut wie möglich unsere Lage zu erklären. Zu einem kleinen Teil gelang es mir, aber danach war ich so erschöpft, dass ich schon um neun Uhr zu Bett ging und abgrundtief schlief.
     
    Die nächsten zwei Wochen waren mit hektischer Arbeit gefüllt. Das Atelier hatte ich angemietet, ein Maler werkelte eifrig darin herum. Ein Rollkutscher transportierte meine Möbel und sonstigen Besitztümer, Gernot lieferte Ballen von seinen Stoffen, andere Händler die notwendigen Qualitäten, die er nicht herstellte,
die Nähmaschine fand ihren Platz, eine notdürftige Küchenausstattung musste besorgt werden, zwei Schneiderpuppen versammelten sich um einen langen Zuschneidetisch, und

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