Goldener Bambus
der Kommunistischen Partei 1921 Shanghai die rote Wiege war. Obwohl die Partei noch immer als Guerillagruppe galt, war sie die größte Kraft im Kampf gegen die herrschende Nationalregierung. Dick spielte eine wichtige Rolle in der Partei. Er war Maos Chefberater und Leiter der Propagandaabteilung.
Mein Interesse an der von Dick beschriebenen neuen Welt hielt sich in Grenzen. Mir war es gleichgültig, ob China von den Kommunisten regiert wurde oder nicht. Ich wollte nur einen Ort, an dem meine Wunden heilen und ich ein neues Leben beginnen konnte, und den bot mir Dick.
»Sie waren ein kleiner Bach, und nun sind Sie Teil des Ozeans.« Dick war glücklich wie ein Tormann, der einen Ball gehalten hatte.
Der Tag meiner Abreise kam näher. Ich lebte zwar keine Lüge, aber ehrlich war ich auch nicht. Pearl und Hsu Chih-mo hatten die Waffen niedergelegt und sich schließlich zueinander bekannt. Ich hatte wesentlich dazu beigetragen, denn meine Wohnung war ihr Liebesnest, wo sie vor den neugierigen Blicken der Öffentlichkeit sicher sein konnten. Doch ich machte mir etwas vor, denn Neid und Eifersucht verzehrten mich.
Pearl kannte mich zu gut, um sich in der Situation wohl zu fühlen. Sie weigerte sich sogar zu kommen, als Hsu Chih-mo ein Abschiedsessen für mich gab. Ich war einerseits froh, dass Hsu Chih-mo nicht wusste, dass ich ihn liebte, andererseits litt ich sehr, wenn er über seine Gefühle für meine Freundin sprach. »Ich bin verliebt« stand in Großbuchstaben auf seine Stirn geschrieben. Er konnte nicht aufhören, darüber zu reden, und obwohl seine Worte mich schmerzten, hörte ich ihm immer weiter zu.
Für Hsu Chih-mo war Pearl chinesischer als er selbst. Er war begeistert von ihren Ansichten, ihren chinesischen Gewohnheiten, ihrer Liebe für Kamelien. Wenn sie auf Chinesisch fluchte, war er hin und weg. Er liebte ihre »chinesische Seele unter der weißen Haut«.
Hsu Chih-mo erzählte mir, dass er als Kind mit Bauernkindern gespielt hatte. »Meine Familie besaß ein wenig Land, deshalb war ich umgeben von Bauernkindern. Aber ich hatte nicht verstanden, warum ich anders bin. Ich wusste nur, ich war der junge Meister und sie meine Sklaven. Wir waren als Menschen nicht gleichgestellt. Sie gehörten meiner Familie oder wurden von ihr angeheuert. Chinesische Jungen, die die Schule besuchen, haben alle die gleiche Einstellung. Kaum sind sie erwachsen, sehen sie auf die Bauern hinab. Aber Pearl glaubt, dass vor Gott alle Seelen gleich sind. Diese Wertschätzung ihrer Romanfiguren ist es, die ihr Schreiben so besonders macht. In ihren Büchern ist der Bauer ein Mensch.«
Ich trank und stieß mit ihm an.
Hsu Chih-mo gestand mir, dass Pearl ihn glücklich machte. »Ich weiß nie, was sie als Nächstes sagen wird. Sie ist hochintelligent, clever und witzig. Sie trägt die chinesische und amerikanische Kultur in sich, und diese Mischung fasziniert mich. Ich freue mich immer darauf, ihre Gedanken zu hören.«
»Und wie ist die Liebe?«, fragte ich.
»Wie meinst du das?« Er sah mich an.
»Na ja … liebt sie wie eine Chinesin?«
Hsu Chih-mos Mund verzog sich zu einem Lächeln. »Das ist mein Geheimnis.«
»Erzähl mir nur ein bisschen, bitte.«
»Ich muss jetzt gehen, Weide.«
»Wie kannst du es wagen, die Brücke zu zerstören, nachdem du den Fluss überquert hast!«
Ich stellte mir die Hände vor, die sie beschrieb, seine Hände, die sie berührten. Pearl sagte mir, sie sei endlich von ihrer Dummheit kuriert. Ich fragte, wie sie das meinte. Sie sagte, dass sie Lossing in dem Moment vergaß, wo sie mit Hsu Chih-mo allein war. Sie fürchtete, ihm verfallen zu sein. »Ich dachte immer, was ich mit Lossing durchgemacht habe, passiert in jeder Ehe. Ich habe über die romantische Liebe geschrieben, weil sie in meinem Leben nicht existiert hat.«
»Und die romantische Liebe jagt dir Angst ein?«
»Ich habe Angst davor, was das Wissen darum mit mir machen wird.«
»Dann ist es mehr als nur eine Affäre?«
»Ich weiß es nicht. Hsu Chih-mo ist eine grüne Insel in der Wüste meines Lebens. Ihm habe ich es zu verdanken, dass ich geduldiger gegenüber Carol und toleranter gegenüber Absalom geworden bin. Ich finde mich nicht mehr unausstehlich, bin nicht mehr so verzweifelt. Ich will sogar ein kleines Mädchen adoptieren und habe das Verfahren schon in Gang gesetzt. Und doch …« Sie hielt kurz inne, dann fuhr sie fort. »Eine gemeinsame Zukunft mit ihm ist kaum vorstellbar.«
»Weil ihr beide
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