Goldener Bambus
und ging in die Küche, versuchte, meine Tränen zurückzuhalten.
Ich leerte den Teekessel aus und füllte ihn wieder mit kaltem Wasser. Meine Hände zitterten.
Nach einer Weile hörte ich Hsu Chih-mo sagen: »Das Gleiche habe ich beim Lesen Ihres Manuskripts empfunden.«
Pearls Antwort drang nicht zu mir durch.
Ich sah aus dem Fenster. Der Himmel war dunkelgrau. Der Bergbach plätscherte.
»Ich muss gehen«, hörte ich Pearl sagen.
Ich wehrte mich gegen den Gedanken, dass Hsu Chih-mo aus Mitleid blieb, nachdem Pearl gegangen war. Ich lud ihn zum Essen und zu Drinks ein. Der Alkohol stieg uns zu Kopf und machte uns lockerer. Ich scherzte über meine Ehe und er über seine. Der Feminismus verwirre ihn, erzählte er mir. Ich fragte nach seinem berüchtigten Liebesleben.
»Erzähl mir nicht, dass es dir nicht gefällt«, sagte ich.
»Ich mag es nicht, ob du es glaubst oder nicht.«
»Also wirklich, du lebst das Leben, von dem alle Männer träumen.«
»Weide, meine Freundin, du hast zu viel getrunken. Eine kalte Dusche würde dir guttun.« Hsu Chih-mo schüttelte den Kopf.
Ich sagte ihm, dass ich mich unbehaglich fühlte, weil er in Gedanken noch immer bei der Frau weilte, die gegangen war.
»Du fühlst dich zu Pearl Buck hingezogen.« Ich wandte mich ihm zu, wollte, dass er mich ansah. »Versuch erst gar nicht, zu lügen.«
Er lächelte. »Wie kommst du darauf?«
»Dann sag mir doch, dass es nicht stimmt.«
Er senkte den Blick. »Ich bin ein verheirateter Mann.«
»Ich bin betrunken.« Ich warf mein Glas nach ihm. Es verfehlte sein Ziel. »Und jetzt verschwinde.«
Für mich wäre es besser gewesen, wenn Pearl und Hsu Chih-mo ihre gegenseitige Zuneigung akzeptiert hätten. Dass beide es leugneten und sich gegen ihre Gefühle wehrten, machte alles nur noch komplizierter. An der Universität ging Pearl Hsu Chih-mo aus dem Weg. Gleichzeitig überredete sie Lossing dazu, zurückzukommen. Er kam.
Pearl vergrub sich in ihrem Zimmer und schrieb fieberhaft. Sie verschickte ihr Manuskript von
Ostwind–Westwind
und fand schließlich einen kleinen amerikanischen Verlag, der es veröffentlichte. Sie war glücklich, selbst als das Buch sich nicht gut verkaufte. Das war unwichtig. Sie konnte nicht aufhören zu schreiben.
Sie begann mit dem nächsten Roman. Jeden Tag gab sie mir neue Seiten der Rohfassung zu lesen, so dass ich am Ende das ganze Manuskript kannte. Der Titel
Die Geschichte des Wang Lung
wurde später in
Die gute Erde
geändert. Ich entdeckte darin die Umrisse von Dorfbewohnern, die wir beide kannten. Pearl beschrieb eine Welt, die mir zwar vertraut, der ich aber in der chinesischen Literatur nie begegnet war. Sie veränderte meinen Blickwinkel und half mir Dinge zu sehen, die ich intuitiv als wahr erkannte.
»Pearl weiß nichts davon«, gestand ich Hsu Chih-mo, als ich ihm Pearls Manuskript zeigte. Ich bat ihn, bei der Suche nach einem Verlag zu helfen, damit Pearl einen Vorschuss bekam.
Hsu Chih-mo versprach, es zu versuchen.
Ich gebe zu, ich habe mir alles selbst zuzuschreiben. Falls Hsu Chih-mo sich bis dahin noch nicht in Pearl verliebt hatte, dann geschah es jetzt. Für ihn war Pearl eine wahre Künstlerin, die Ah Bing der Literatur.
Wir blieben gute Freunde. Schließlich, nachdem er ewig um den heißen Brei herumgeredet hatte, bat Hsu Chih-mo mich, Pearl Buck einen Brief von ihm zu übergeben.
Einen dicken Brief.
Ich sagte ihm, ich würde es mir überlegen. In Wahrheit wurde meine Eifersucht auf Pearl jeden Tag größer. Es schmerzte mich, dass sie sich nicht einmal bemüht hatte, ihm zu gefallen.
Pearl stimmte als einziges Mitglied des Lehrkörpers gegen die Erneuerung von Hsu Chih-mos Lehrauftrag. Die Gründe dafür behielt sie für sich.
»Dass er sich wegen des Geldes bewerbe, ist gelogen«, erklärte sie mir, während sie im Wok Kohl zubereitete. »Er müsse die Schulden seiner Frau bezahlen, hatte er im Scherz behauptet. Alle im Komitee hat er zum Narren gehalten, aber mich nicht.«
»Hast du Hsu Chih-mos Anmerkungen zu deinem neuen Roman gelesen?«, fragte ich.
»Ja.«
»Wie findest du sie?«
»Was soll ich denn darauf antworten?«
»Hast du dich darüber gefreut?«
»Ja, sehr sogar. Ein richtig edelmütiger Akt von ihm.«
»Glaubst du, er versteht, was du schreibst?«
»Außer dir ist er der einzige Chinese, der meine Bücher versteht.«
»Und er hat zudem die Macht, andere zu beeinflussen.«
»Ich habe nicht gesagt, dass ich seine Hilfe nicht gut
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