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Goldener Reiter: Roman (German Edition)

Goldener Reiter: Roman (German Edition)

Titel: Goldener Reiter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Weins
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nicht aus wie meine Mutter. Sie hat ein wallendes rotes Kleid an, das mich an Indien erinnert. Es sind Elefanten auf diesem Kleid. Elefanten mit kleinen Ohren. Wie siehst du denn aus, sage ich. Meine Mutter sieht eigentlich anders aus. Meine Mutter trägt graue Röcke und Blusen und grüne Pullover und schwarze Hosen. Meine Mutter ist ungeschminkt.
    Ich mache mich schön, sagt meine Mutter. Ich finde mich richtig schön so, findest du nicht? Sie lächelt in den Spiegel. Ihr Lippenstift ist zu grell.
    Gibt es kein Mittag?, frage ich.
    Nein, sagt sie.
    Wieso?, frage ich. Was machst du?
    Ich gehe weg.
    Wohin gehst du?, frage ich. Wann kommst du wieder?
    Du musst ja nicht alles wissen. Die Frau vor dem Spiegel lächelt.
     
    10
    Wohin fahren wir?, frage ich. Mark und ich sind mit dem Rad unterwegs. Mark fährt ein Klapprad mit einer Schraube in der Mitte. Er muss immer doppelt so viel treten wie ich.
    Zu Tina, sagt Mark. Bei Nicole waren wir das letzte Mal.
    Wir biegen in den Schopbachweg ein. Es geht einen Hang hinunter und man fährt an einem Vorgarten vorbei, in dem eine Windmühle steht. Diesen Weg nennen wir die Abkürzung, obwohl es eigentlich ein Umweg ist.
    Das Haus von Tina hat ein Fenster unter dem Dach, hinter dem Tina wohnt. Ich kenne Tinas Zimmer, weil ich zu ihrem Geburtstag eingeladen war. Mark war nicht zu Tinas Geburtstag eingeladen.
    Wir fahren an ihrem Haus vorbei, ohne zu gucken. Unter der Eisenbahnbrücke halten wir an.
    War sie zu Hause?, fragt Mark.
    Ich weiß nicht, sage ich.
    Wir fahren noch einmal an Tinas Haus vorbei. Ihr Fahrrad steht davor und noch ein Mädchenfahrrad steht daneben.
    Tina hat Besuch, sagt Mark bei der Telefonzelle. Was machen wir jetzt?
    Wir fahren zurück und verstecken uns hinter einem Busch. Neben dem Busch wächst ein Mirabellenbaum. Vom Mirabellenbaum kann man im Sommer Mirabellen essen. Die Mirabellen liegen auf dem Boden, aber man muss die suchen, die noch nicht zermatscht sind. Der Kopf von Tina taucht im Giebelfenster auf. Neben ihr taucht der Kopf von Petra auf. Petra geht auch in meine Klasse. Petra hat taubstumme Eltern, aber sie selbst kann reden. Sie unterhält sich mit ihren Eltern, indem sie Gesten mit den Händen macht. Mit uns unterhält sie sich normal, mit Worten. Petra sieht aus wie eine Puppe, mit blonden Haaren und blauen Augen. Sie gucken zu uns herunter.
    Sie können uns nicht sehen, sage ich. Mark sagt nichts. Er kriecht tiefer in den Busch. Die Mädchen lachen hinter dem Fenster. Sie zeigen auf uns und winken, aber wir winken nicht zurück.
    Mist, sagt Mark.
    Tina malt etwas auf die Scheibe. Mit dem Finger, mit Fingerfarbe. Ich kenne diese Farbe. Man kann damit etwas auf die Scheibe malen, ein Haus oder einen Baum oder ein Flugzeug. Und danach kann man es wieder abziehen, weil die Farbe wie Gummi geworden ist.
    Tina malt ein rotes Herz auf die Scheibe. In das Herz malt sie ein T . T wie Tina. Der Mund von Mark steht offen. Neben das T malt sie ein Pluszeichen. Mark schluckt. Ich höre ihn schlucken. Ich stelle mir vor, wie sein Herz unter dem Anorak pocht. Poch, poch. Ich weiß, dass Mark Tina einen Liebesbrief geschrieben hat. Er hat ihn ihr auf dem Schulhof gegeben und alle haben gelacht. Die Jungs haben gelacht und die Mädchen haben gelacht.
    Neben das Pluszeichen malt Tina ein J in das Herz. Sie malt es spiegelverkehrt, damit wir es lesen können. J wie Jonas. Mein Gesicht wird warm, ich mag Mark nicht anschauen. Tina plus Jonas steht da in dem Herz. Das ist nicht richtig. Tina plus Mark müsste da stehen. In dem Herz taucht der Kopf von Petra auf. Sie lacht und zeigt auf mich. Tina und Petra lachen zu uns herunter und winken. Mir ist nicht nach Winken zumute. Ich will nicht, dass Tina mich gut findet. Ich will, dass Tina Mark gut findet. Scheiße, sage ich. Mark sagt gar nichts.
     
    11
    Mama, sage ich. Ich brauche eine neue Hose. Meine Mutter sitzt in der Küche und trinkt Kaffee.
    Gut, sagt sie. Dann kaufen wir dir eine Hose.
    Ich schaue meine Socken auf den Fliesen an. Kannst du mir nicht das Geld geben?, frage ich. Ich brauche einhundertdreißig Mark. Ich möchte eine Edwin-Jeans kaufen. Alle haben Edwin-Jeans.
    Gut, sagt meine Mutter und stellt ihren Kaffeebecher ab. Zieh dir die Schuhe an. Wir kaufen jetzt eine Edwin-Jeans für dich.
    Kannst du mir nicht lieber das Geld geben und ich fahre allein?
    Meine Mutter sieht mich an. Sie steht auf und geht in den Flur. Sie zieht ihre Schuhe an. Komm, sagt sie. Joni, sei nicht albern.
    Wir fahren

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