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Goldener Reiter: Roman (German Edition)

Goldener Reiter: Roman (German Edition)

Titel: Goldener Reiter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Weins
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an meinem Gürtel, ausnahmsweise. Doktor Braun ist Kieferorthopäde. Das Wartezimmer ist voll. Meine Mutter sitzt neben mir. Sie liest in einem Donald-Duck-Heft. Ich lese nicht. Ich schaue aus dem Fenster. Ich sehe den Bus vorbeifahren, nur die obere Hälfte. Meine Mutter kichert. Sie liest Donald Duck und kichert.
    Ich habe noch nie beim Donald-Duck-Lesen gekichert. Donald Duck ist gar nicht witzig. Hahaha, lacht meine Mutter, das kann er doch nicht machen, hahaha. Ich schaue in ihr Heft, um zu sehen, ob es wirklich witzig ist. Donald klettert auf das Dach seines Hauses, um eine Katze herunterzuholen. Miau, macht die Katze. Es ist überhaupt nicht witzig. Meine Mutter blättert um. O nein! Sie klatscht sich auf den Schenkel. O nein, lacht sie. Hahaha. Ich schaue aus dem Fenster. Meine Mutter ist nicht meine Mutter. Ich kenne diese Frau nicht. Ich weiß, dass die anderen Leute im Wartezimmer meine Mutter anstarren. Ich spüre, dass sie auch mich anstarren. Ich überlege, aufzustehen und mich umzusetzen. Ich kenne diese Frau nicht. Ich sehe meine Mutter an.
    Mama, sage ich. Sie lächelt mich an. Richtig glücklich sieht sie aus.
    Lass mich doch, sagt sie. Das darf sie nicht. Sie soll nicht glücklich beim Donald-Duck-Lesen aussehen. Sie ist meine Mutter. Sie soll gar nicht Donald Duck lesen. Sie soll von mir aus Peter Moosleitners interessantes Magazin lesen und dabei ein interessiertes Gesicht machen. Sie soll sich wie eine Mutter verhalten.
    Meine Mutter kichert. Sie beugt sich tief in das Heft. Hohoho und hahaha. Ich schaue aus dem Fenster. Die Tür zum Wartezimmer geht auf. Die Sprechstundenhilfe sagt: Jonas Fink. Das bin ich. Jonas Fink. Ich kann raus. Ich hoffe, dass meine Mutter sitzen bleibt. Ich kenne sie nicht. Meine Mutter kichert vor sich hin.
    Mir geht’s gut. Mir geht’s einfach gut, sagt meine Mutter auf dem Heimweg. Lass mich doch. Mir geht’s endlich einmal richtig gut. Du bist ein Spielverderber, sagt sie.
    Ich sage nichts. Ich zertrete den Schneematsch auf den Gehwegplatten. Ich will nicht, dass es meiner Mutter gut geht. Ich will nicht, dass sie mich zum Kieferorthopäden begleitet.
     
    5
    Es klingelt. Mark kommt hoch in mein Zimmer. Deine Mutter ist aber gut gelaunt, sagt er.
    Was hast du dir überlegt?, frage ich. Wohin fahren wir?
    Er breitet den HVV-Streckenplan auf meinem Schreibtisch aus.
    Wir fahren nach Francop. Das ist an der Süderelbe. Wir müssen den 183er nach Altona nehmen, von dort fahren wir mit der S3 nach Neugraben und dort nehmen wir den 114er bis Francop. Das ist die Endhaltestelle.
    Er zeigt mir den Weg mit dem Finger auf dem Plan. Einmal komplett durch die Stadt und über den Fluss, dann südlich am Fluss entlang. Ich bin noch nie so weit mit Bus und Bahn gefahren. Und schon gar nicht allein, das heißt ohne Erwachsene. Mark kennt das. Bus- und Bahnfahren ist sein Hobby. Nach und nach fährt er alle Endhaltestellen ab. Heute ist Samstag. Wir haben den ganzen Tag Zeit. Es ist das erste Mal, dass er mich mitnimmt.
    Ich habe Proviant dabei, sagt er und zeigt mir eine Packung Kekse.
    Wir fahren mit dem Bus. Am Altonaer Bahnhof steigen wir um. Wir müssen die richtige S-Bahn suchen. Es gibt eine S3, die nach Harburg fährt, und eine, die nach Neugraben fährt. Der Bahnhof wimmelt von Menschen, die wild durcheinander rennen. Wir steigen in die richtige S3. Mark kennt sich aus. Wir fahren mit der S-Bahn.
    Wir fahren auf einer Brücke über den Fluss.
    Wir fahren an Hochhäusern vorbei. Wir fahren an Schuppen vorbei und Zugwaggons, die verrostet aussehen. In Neugraben steigen wir aus. Wir suchen die Bushaltestelle. Wir stehen in Neugraben und warten auf den Bus. Ich war noch nie in Neugraben. Das ist Neugraben. Hallo, Neugraben. Der Bus kommt. Alles läuft nach Plan. Wir zeigen unsere Fahrscheine vor. Wir fahren mit dem Bus. Wir sind südlich des Flusses. Hinter dem Fenster ist Landschaft mit Apfelbäumen. Wir fahren an einem Deich entlang. Wir sind allein im Bus. Francop steht auf einem gelben Schild.
    An der Endhaltestelle steigen wir aus. Wir klettern den Deich hoch. Man kann den Fluss nicht sehen. Hinter dem Deich sind einfach kahle Apfelbäume. Francop. Wir sitzen auf dem Deich. Es nieselt kalten Nieselregen. Wir sitzen da in unseren Anoraks. Mark packt den Proviant aus. Seine Mutter hat ihm Butterkekse und eine Tafel Schokolade mitgegeben. Wir packen immer etwas Schokolade zwischen zwei Kekse. Das ist gut, das kenne ich noch nicht. Schokolade schmeckt noch besser zwischen

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