Goldener Reiter: Roman (German Edition)
mit dem Bus ins Einkaufszentrum. Meine Mutter singt nicht und kichert nicht und sie sagt auch keine komischen Sachen. Ich sitze neben meiner Mutter im Bus und schaue aus dem Fenster. Ich kann mich nicht auf die Dinge konzentrieren. Autos. Menschen. Geschäfte. Pfützen spritzen auf die Gehsteige, wenn die Autos hindurchfahren. Ich muss erst noch Geld von der Bank holen, sagt meine Mutter.
Ich warte im Eingangsbereich der Bank. Der Teppichboden ist grün und schmutzig von den Straßenschuhen. Ich sehe in den Schalterraum. Meine Mutter steht in der Schlange. Sie trägt einen grauen Mantel, aus Wolle, ich kenne diesen Mantel. Ich summe ein Lied vor mich hin. Ich darf das. Bei mir ist das normal. Meine Mutter ist an der Reihe. Sie redet mit dem Mann hinter dem Schalter. Sie redet lange. Ich kann nicht verstehen, was sie sagt. Die Stimme meiner Mutter wird laut. Die Leute in der Schlange schauen sich an. Der Mann tritt einen Schritt zurück. Ich weiß nicht, wohin ich gucken soll. Ich stehe im Eingangsbereich der Bank. Eine Grünpflanze steht auch da. Der Mann hinter dem Schalter hebt seine Hände. Auch seine Stimme wird laut, aber nicht so laut wie die von meiner Mutter. Ich verstehe es einfach nicht. Meine Mutter bekommt einen roten Kopf. Meine Mutter brüllt. Meine Mutter hat noch nie gebrüllt. Ich kann die Worte nicht verstehen. Das kommt von den Händen auf meinen Ohren. Sie brüllt, wie ich noch keinen Menschen habe brüllen hören. Nicht wie eine Mutter und nicht wie ein Mensch. Sie schreit. Der Schrei geht durch meine Hände hindurch. Er ist laut. Er ist durchdringend. Er tut weh. In der Bank ist für nichts anderes mehr Platz als für diesen Schrei. Er kommt aus der Frau da am Schalter. Der Schrei füllt die gesamte Bank aus. In der Bank ist kein Platz mehr für mich.
Ich wollte eine Hose kaufen, sage ich zu meiner Mutter, als ich wieder mit ihr rede. Sie hat mich hinter einem Geschäft gefunden. Auf einem Parkplatz. Ich wollte doch bloß eine Hose kaufen.
Komm, dann gehen wir jetzt deine Hose kaufen.
Sie versteht nicht. Wie kann sie das machen. Ich will mit dir keine Hose kaufen, sage ich. Ich will gar nichts mehr mit dir machen. Gib mir das Geld, los, bitte, Mama.
Es tut mir leid, sagt meine Mutter.
12
Wetten, dass du es nicht schaffst, einen Cheeseburger in einem Stück zu essen?, sagt René. Wir kommen gerade aus dem Kino. Wir haben Sag niemals nie geguckt. Wir stehen bei McDonald’s in der Schlange.
Um was wollen wir wetten?, sagt Dirk.
Zwei Mark, sagt René. Du kriegst von mir zwei Mark, wenn du es schaffst, einen Cheeseburger in einem Stück runterzuschlucken. In einem Stück rein in den Mund und dann runter damit.
Darf ich kauen?, fragt Dirk.
Klar darfst du kauen. Aber das Ding muss in einem Stück rein.
Fünf Mark, sagt Dirk.
Einverstanden, sagt René. Fünf Mark. Die Wette gilt.
Aber du lädst mich ein, sagt Dirk.
Okay.
Sie geben sich die Hände. René bestellt zwei Cheeseburger. Einen für Dirk und einen für sich. Ich bestelle eine mittelgroße Cola.
Wir sitzen an einem Tisch. Dirk packt seinen Cheeseburger aus. Fünf Mark, sagt er.
René nickt ihm zu: Mach!
Dirk schluckt. Er öffnet den Mund. René packt seinen Cheeseburger aus.
Er grinst Dirk an. Mmh, macht er und beißt ab.
Dirk sperrt den Mund auf. Er schiebt den Cheeseburger hinein. Er schiebt und drückt. Der Cheeseburger will nicht in seinen Mund. Die Hälfte bleibt draußen. Sein Mund ist zu klein für einen Cheeseburger. Dirk drückt trotzdem. Er reißt die Augen auf. Es sieht zum Lachen aus, diese weit aufgerissenen Augen mit viel Weiß um die Pupillen und vielen kleinen Adern und dieser weit aufgerissene Mund, in dem ein zusammengepresster Cheeseburger steckt. Ich sauge an meiner Cola. Dirk kriegt keine Luft mehr, das sieht man. Es sieht aus, als würde Dirk gleich platzen. Dirk macht Würggeräusche. Er hält sich die Hand vor den Mund. Die Mädchen am Nebentisch sehen zu uns herüber. Ih, wie eklig, sagt das eine Mädchen. Ihre Freundin hält sich ebenfalls die Hand vor den Mund. Dirk drückt den Rest vom Cheeseburger in sich hinein. Er sieht überhaupt nicht glücklich aus. Er sieht aus, als würde er es bereuen, mit René gewettet zu haben. René lacht. Dirk hat den Cheeseburger in seinen Mund gequetscht. Der Mund steht offen. Man kann Cheeseburgermatsch sehen. Dirk sieht aus wie ein Ochsenfrosch. Er schluckt und macht Geräusche. Er hat Tränen in den Augen.
Ich gehe zum Schalter und kaufe eine Cola für
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