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Goldfalke (German Edition)

Goldfalke (German Edition)

Titel: Goldfalke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noreen Aidan
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unheilvollen Worte über ihren Cousin, die hier in diesem Gemäuer so gänzlich unerwartet kamen wie ein Schneesturm in der Wüste, schnürten Kianas Lungen zusammen.
    Als die hässliche Alte vor ihr plötzlich verschwand, einfach in der staubschwangeren Luft verpuffte, schreckte Kiana aus ihren Gedanken und hauchte: „Wo ist sie hin?“
    „Rüber in die Trübe Welt.“ Alle Pupillen des Dreiäugigen richteten sich wieder auf Kiana. „Weißt du denn nicht, dass wir Dschinns uns hier vorübergehend auflösen, wenn unsere Meister all unsere Energie für einen geballten Willensakt in die Trübe Welt abziehen? Vermutlich braucht die Herrin unserer Schwester gerade den vollen Einsatz ihrer gesamten Willenskraft, um wie üblich entgegen dem massiven Protest ihrer Familie ihre Schwiegertochter zu quälen. Was natürlich ihr gutes Recht ist. Wenn man als junge Ehefrau selber von der Schwiegermutter geknechtet und gepiesackt worden ist, darf man das Gleiche später ja wohl auch an die eigene Schwiegertochter weitergeben, oder etwa nicht?“
    „ Rüber in die Trübe Welt?“, wandte Kiana misstrauisch ein. „Ich habe in der Trüben Welt nie Dschinns gesehen.“
    „ Natürlich nicht“, meinte das gesprächige Männlein. „Wir materialisieren uns dort nur als reine Willensenergie im Hirn unserer Herren.“ All seine Augen nahmen einen stechenden Ausdruck an. „Wenn du so strohdumm bist, dass du nicht einmal so etwas Grundsätzliches weißt, was willst du dann in einer Bibliothek, deren Wissensinhalte dich schmerzlich überfordern dürften?“
    Bevor Kiana etwas einfiel, das sie erwidern konnte, rief Nesrin aus: „Hey, das ist ein Text über die Stehenden Weisen. Oder besser gesagt über den Fluch der Gefangenschaft des Steins, oder wie das hier heißt.“ Sie wischte den Staub vom unteren Teil des Papyrus. „Und - ich werd verrückt! - hier steht irgendwas über den Gegenzauber. Aber …“, sie begutachtete das Schriftstück von allen Seiten, „… über die neun Teile der Persönlichkeit kann ich nichts finden.“
    Das dreiäugige Männlein zwängte sich zwischen den Einlass der Erleuchtung und Kiana, riss ihr den Bronzezylinder aus der Hand und warf ihn zurück in das Loch. „Und jetzt erzählt uns von dieser angeblichen Bedrohung!“
    „Gib du uns zuerst die richtige Schriftrolle!“ Nesrin erhob sich und steckte den Papyrus in ihren Hosenbund.
    Zwei der drei Augen des Dschinns wanderten in Nesrins Richtung. „Ich habe meinen Teil der Abmachung erfüllt. Wenn ihr an das Falsche denkt, während ihr in den Einlass der Erleuchtung greift, ist das nicht meine Sache.“
    „Bitte lass mich nur noch einmal hineingre ifen!“ Kiana versuchte, an ihm vorbei zu jenem Loch zu kommen.
    Aber er versperrte ihr den Weg. „R edet endlich! Was ist die Bedrohung? Und wehe, es ist nichts von Bedeutung! Dann zerreißen wir euch mit bloßen Händen!“ Seine Finger krümmten sich.
    Die Feindseligkeit in seiner Stimme griff auf die and eren über. Die Hyäne fletschte die Zähne, irgendetwas zirpte schrill, und Baski konnte nur mit Mühe fünf schuppige Ungeheuer aus Nesrin Nähe drängen. Ohne Vorwarnung war das neugierige Abwarten der Ifrit und Afrit in Blutrünstigkeit umgeschlagen.
    Als die Hyänenpfote nach Kiana schlug, konnte sie sich gerade noch rechtzeitig ducken. Bald würde selbst Baski den Bestien nicht länger standhalten können. In Kiana focht die Todesangst mit dem verzweifelten Verlangen, nicht zu versagen. Wo sie so kurz davor stand, diese verdammte Schriftrolle zu erhalten, von der die Rettung ihrer Mutter abhing. Sollte alles, was sie und Nesrin auf ihrem Weg durch die Wüste durchgemacht hatten, umsonst gewesen sein? Mit einem Mal wusste Kiana, dass sie auf keinen Fall bereit war, das hinzunehmen. Sie stieß den Dreiäugigen beiseite und griff in das Loch.
    Neun Teile der Persönlichkeit, zwang sie sich verbissen zu denken, geistiger Leib, fleischlicher Leib - wie war das gleich noch mal? Mit einem grässlichen Wutgeheul stürzte sich der Dreiäugige auf sie.
    Dann stoppte er mitten in der Bewegung, flog rückwärts, krachte gegen den Pfosten des nächsten Regals und blieb dort haften, aufgespießt durch das Dschinn-Küken, das wie ein Pfeil von Kianas Schulter geschossen war, den mageren Bauch des Männleins durchbohrt hatte, nun mit der Schnabelspitze im Regalholz dahinter steckte und so das Männlein daran festnagelte.
    Das Männlein kreischte, packte das Dschinn-Küken mit beiden dürren Händen, zappelte

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