Goldfalke (German Edition)
gekippt, ohne Rücksicht auf Schmutz zu nehmen. Heute trug Kiana eine praktische mattgelbe Hose mit passender Tunika, in der Taille gebunden durch den goldenen Gürtel, den sie schon gestern angehabt hatte. Als Schutz vor dem Sand wählte sie einen pfirsichfarbenen Schal, den sie sich locker um die Schultern legte.
Schon wieder - oder noch immer - war Kiana rastlos. Der Drang, ihre Mutter zu finden, kämpfte mit der Angst vor dem Scheitern, das durch die gestrigen Erlebnisse zur Gewissheit geworden war. Konnte es denn etwas anderes als den sicheren Tod bedeuten, sich auch nur in die Nähe der Ehernen Festung zu begeben? Durfte Kiana andere Menschen in diese Selbstmordmission hineinziehen? Ohne Nesrin wäre sie aufgeschmissen, das wusste sie. Aber durfte sie zudem noch Amirs Leben aufs Spiel setzen?
Die Sonne stand schon hoch, als sie und Nesrin ihr Zimmer verließen. Nur wenige Leute saßen auf der Terrasse bei einem verspäteten Frühstück. Sofort wurden Nesrin und Kiana mit Fragen überschüttet, die jedoch respektvoll verstummten, als Sayed und Ava die Mädchen begrüßten und sich zu ihnen setzten.
„Habt ihr die Heilsalbe benutzt?“, erkundigte sich die Haushofmeisterin. „Ich habe sie in euren Baderaum bringen lassen.“ Einer ihrer Dschinns stellte reichlich gefüllte Tabletts vor die Mädchen. Ein weiterer brachte Kaffee für Ava und Sayed.
„Ja, vielen Dank! Die Salbe hat gut geholfen.“ Kiana strich über ihre Wange, die dank Avas Creme keinen Sonnenbrand mehr zeigte.
Sayed hob seine Tasse an die Lippen, ließ sie jedoch wieder sinken. „Die Kundschafter sind soeben zurückgekehrt und haben eure Aussage über die Karawanserei bestätigt. Entschuldigt, dass wir alle daran gezweifelt haben, doch es erschien so gänzlich unwahrscheinlich. Von der Ehernen Festung oder Damons Armee war allerdings nichts mehr zu sehen, mit Ausnahme zahlreicher Skorpionkadaver. Kassim und die Hälfte der Palastkrieger sind bereits aufgebrochen, um weiter zu ermitteln. Aber vermutlich wird dabei genauso wenig herauskommen wie bei den Untersuchungen der anderen Orte, die Damon zerstört hat. Die Lage ist sehr ernst.“ Er schien in sich zusammenzusacken, niedergedrückt vom Gewicht der Verantwortung. „Wenigstens wissen wir jetzt, dass die Eherne Festung kein Mythos ist, sondern eine bewegliche Kampfmaschine. Diese Erkenntnis ist eine große Hilfe, und wir verdanken sie euch.“
„Keine Ursache.“ Nesrin schaufelte ein Stück Spiegelei auf ihren Brotfladen. „Unmögliches auf die Reihe zu kriegen ist unsere Spezialität. Wo wir schon dabei sind: Was ist eigentlich mit dem Schrieb über die Stehenden Weisen? Könnte der was bringen, oder ist er auch nur heiße Luft wie das Blabla über die Teile der Persönlichkeit?“
„Darauf wollte ich noch zu sprechen kommen“, antwo rtete der Großwesir. „Zusammen mit Ava, Fatima und Dschamal bin ich letzte Nacht noch beide Schriften durchgegangen. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass die eine Schriftrolle tatsächlich den Zauber und den Gegenzauber des Fluchs der Stehenden Weisen enthält. Ob der Gegenzauber wirkt, werden wir allerdings erst wissen, wenn wir ihn ausprobieren. Da ihr die Schrift gefunden habt, gebührt es allein euch beiden, dies zu tun. Bei dem möglichen Krieg gegen Damon könnten die befreiten Stehenden Weisen von großem Nutzen sein. Daher sollten wir ihre Befreiung rasch in Angriff nehmen, damit sie sich zunächst einmal mit ihrer neuen Freiheit vertraut machen können.“
Ava rührte Zucker in ihren Kaffee. „Es ist erstaunlich, dass ihr diese Schriftrolle gefunden habt. Kaum einer hat sich jemals auch nur in die Nähe der Versunkenen Stadt gewagt, seit die Ifrit und Afrit dort hausen.“
Nesrin zuckte die Schultern . „Ki und ich sind einfach so was von cool, dass die Ifrit und Afrit gar nicht anders konnten, als uns quasi aus der Hand zu fressen.“
Ava s Lächeln vertiefte sich, was Kiana auf eine seltsame Weise mit so etwas wie Zuversicht erfüllte.
„Habt ihr schon eine Vorstellung d avon“, fragte Sayed, „wann ihr auf eure Suche nach Elina aufbrechen wollt?“
Da er dabei Kiana anschaute, antwortete sie: „So schnell wie möglich. Also heute , gleich nachdem wir bei den Stehenden Weisen waren.“
Nesrin verschüttete ihren Tee. „Was, echt jetzt? Nach dem gestrigen Horrortrip hätte ich eigentlich gedacht, dass uns wenigstens ein Tag zum Abchillen zusteht.“
„ Wozu noch warten?“ Kiana spürte wieder diese Unruhe in
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