Goldfalke (German Edition)
Unebenheiten Juwelen und aus der Felsmaserung der Faltenwurf des bodenlangen Seidengewandes.
Hingerissen von ihrer eigenen Verwandlung strichen die Hände von Tahiramis über ihre nur bis zum Knie von ihrem Lederharnisch bedeckten Beine, von denen Gesteinsbrösel herabrieselten. Die Kriegerin versuchte einen ersten Schritt, stolperte und stützte sich auf ihr Schwert.
N eben ihr erhob sich Basidamesch von seinem Jahrtausende alten Lager, fiel auf die Knie und ließ sich von Ava aufhelfen. Auch die anderen Stehenden Weisen strauchelten, wurden jedoch von hinzueilenden Palastbewohnern gestützt. Nur der muskulöse Kemal lehnte jegliche Hilfe ab und lehnte sich gegen den nächsten Baumstamm.
Am erstaunlichsten war die Entzauberung bei dem Fisc hwesen. Es schaute gehetzt um sich, seine Kiemen klappten auf und zu, dann rannte es los auf seinen beiden dürren Ziegenbeinen, bis es den Blicken aller entschwunden war.
„Wir sind frei!“ Fasziniert trat der reich gekleidete Schwarze von einem unsicheren Fuß auf den anderen.
„ Ich spüre meine Beine!“, hauchte die junge Frau mit dem Federumhang.
„Schaut, was ich kann!“ Der nur in Fetzen gehüllte Schwarze wackelte mit den Zehen eines vorsichtig angehobenen Fußes.
Der schlanke Mann mit dem grünen Turban schaffte es als erster, ohne fremde Hilfe zu gehen. Er stakste nach rechts, dann in die andere Richtung, dann blieb er ratlos stehen. „Und was jetzt? Wohin jetzt?“
„ Was für eine wunderliche Frage, Tahmasp“, fand Hussein. „Haben wir nicht jahrtausendelang erörtert und erträumt, was nach unserem Wiedereintauchen in ein normales Menschsein geschehen soll?“
Sofort entbrannte darüber ein heftige r Streit, der letztlich nur ein Gefühl ausdrückte, mit dem Kiana nie gerechnet hätte: Angst. Die Angst vor dem Neuen, die sich in den Gesichtern der Befreiten mit der aufjubelnden Freude über ihre neu entdeckten Körper abwechselte.
„Sieht ganz so aus, als wären wir jetzt abgemeldet, Ki“, sagte Nesrin, dann rief sie in das allgemeine Chaos hinein: „Hey, Leute! Zwar mussten Ki und ich das Geheimnis eurer Rettung aus Tausenden von Schriftrollen in einer versunkenen Bibliothek rausziehen, es gegen mordgierige Ifrit und Afrit verteidigen, es an Damons Armee vorbeischmuggeln, alles unter Einsatz unseres Lebens, versteht sich, aber hey, das ist schon okay. Dankt uns bloß nicht alle auf einmal!“
Doch die Stehenden Weisen stolperten viel zu kopflos umher, um auf Nesrin oder sonst jemanden zu achten.
Kiana konnte sich nicht satt sehen an ihnen. Fuß tritt auf und leg deine Spur! Dieser Satz perlte in Kianas Bewusstsein wie Hatims Lachen, als er Tahiramis um den Hals fiel und ihr seine Liebe erklärte. Aus dem Gleichgewicht gebracht stieß die Kriegerin ihn verärgert von sich und ordnete den Waffengurt um ihre Taille neu.
Plötzlich legte Ava ihre Hand auf Kianas Schu lter und flüsterte in ihr Ohr: „Präge dir das hier genau ein und rufe es dir ins Gedächtnis, wenn deine nächste Aufgabe dir etwas abverlangt, das dein Verstand als unmöglich abtut! Das hier hast du geschaffen. Keiner außer dir hätte mit Sahmaran jenes Gespräch geführt, keiner außer dir hätte die Schriftrollen aus dem Loch der alten Bibliothek gezogen. Die Stehenden Weisen sind frei wegen dir. Und solltest du bei der Suche nach deiner Mutter Damon gegenüberstehen, denke daran, dass du etwas geschafft hast, woran er gescheitert ist!“
Auf Kianas fragenden Blick hin wurde Avas Sti mme eindringlicher: „Oh ja, auch Damon war einer derjenigen, die den Fluch der Stehenden Weisen brechen wollten, damals, als er sich noch nicht gegen uns gestellt hatte. Er war ein junger, ehrgeiziger Zauberer, der unsere schöne, frisch gebackene Herrscherin mit seinen damals schon beachtlichen Kräften beeindrucken wollte. Doch wie alle anderen versagte er. Halte dir das immer im Gedächtnis, Kiana!“
„Ich soll das bewirkt haben?“ Vorsichtig tauchte Kiana ihren Finger in die fast leere Schale in ihrer Hand. Das Wasser war bestenfalls lauwarm. „Dieses Wasser - das hat doch nicht wirklich gekocht, oder?“
„Spielt das eine Rolle?“ Der Glanz in Avas lächelnden Augen enthüllte für eine winzige Zeitspanne die bodenlose Tiefe einer geheimnisvollen Art von Weisheit.
Eine Weisheit, die Kiana überforderte. „Aber das Kochen war doch nötig für den Zauber! Also muss es doch gekocht haben. Oder nicht?“
„Vielleicht war das Einzige, was nötig war, die Tatsache, dass du den
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