Goldfalke (German Edition)
bei ihm einem „Gern geschehen!“ gleichkam.
Die Aufmerksamkeit der Stehenden Weisen erschöpfte sich zu sehr darin, einen Schritt vor den anderen zu setzen, um sich von kaputten Tongefäßen ablenken zu lassen. Die meisten der Palastbewohner jedoch sahen Kiana alarmiert hinterher, als sie mit Nesrin durch den Hintereingang in den Palast ging.
Auf der Treppe zu den oberen Geschossen schaute Nesrin argwöhnisch um sich. „Diese Anschlagsgeschichte pisst mich langsam so was von an! Das erste Mal konnte man noch als Zufall werten, aber das gerade eben …“ Ohne den Satz zu beenden, begann sie einen neuen: „Wir sollten wirklich so schnell wie möglich hier die Fliege machen, wie Sayed gesagt hat. Es ist echt schräg, dass wir in der Wüste sicherer sind als hier im Palast! Wenn wir zurückkommen, müssen wir uns den Arsch mal vornehmen, der dafür verantwortlich ist.“
„Und wenn es doch Unf älle waren?“
„Vergiss es!“ Nesrin bog in den Gang ein, der zu ihrem Zimmer führte. „ Bodenvasen fallen nicht zufällig vom Himmel. Ich habe nach wie vor Farid in Verdacht. Hast du ihn bei unserer Entsteinungsshow gesehen? Ich nicht. Und dabei war sonst jeder da, sogar Frozan, und die verlässt sonst nie ihre Schafspferche. Das ist doch verdächtig, oder? Ich meine nicht, dass Frozan ihre Schafspferche verlassen hat, du weißt schon, ich meine, dass Farid nicht zu dem Zauber-Event des Jahrtausends aufgetaucht ist. Findest du nicht?“
„Ich weiß nicht.“ Mit dem Tongefäß war auch Kianas Triumphgefühl abgestürzt, und die innere Unruhe hatte sie wieder fest im Griff. Sobald sie in Nesrins Zimmer war, begann sie zu packen. „Was, glaubst du, sollen wir mitnehmen?"
Nesrin ließ sich auf ihr Bett fallen, auf dem sich Baski bereits niedergelassen hatte. „Zuerst sollten wir uns mal überlegen, wo wir überhaupt mit der Suche anfangen. Nachdem das mit dem beknackten Schrieb über die neun Teile der Persönlichkeit ein Flop war, habe ich im Moment gar keine Peilung, wo es hingehen soll. Und das ist echt bedenklich.“
Kiana zog einen roten Schal aus ihrer Kleidertruhe und ließ ihn unentschlossen wieder hineinfallen. „Dass die Schriftrolle uns gar nichts geholfen hat, ist mir ein Rätsel. Hat der Großwesir nicht gesagt, dass er mit Fatima, dem Bibliothekar und der Haushofmeisterin beide Schriftrollen studiert hat? Den Gegenzauber des Versteinerungsfluchs konnten sie enträtseln. Aber niemand hat ein Wort über die andere Schrift verloren, obwohl Sahmaran die neun Teile der Persönlichkeit für so wichtig gehalten hat.“
„ Vermutlich weil niemand zugeben will, dass der Schrieb nur Scheiße ist,“ Nesrins Zeigefinger kreiste über ihrer Stirn, „und dass die gute Schlangen-Queen nicht alle Schuppen auf der Reihe hat. Wenn man wie sie die ganze Zeit in einem dunklen Loch haust mit nichts als Schlangen als Gesellschaft, ist es kein Wunder, wenn es ein bisschen modrig wird in der Birne. Aber um noch mal auf mein Problem zurückzukommen: Ich weiß, dass ich die verdammte Sucherin bin, aber ich habe jetzt echt null Ahnung, wo wir deine Mutter suchen sollten.“
Kiana flocht ihre Haare zu einem praktischen Zopf. „Egal, was du von Sahmaran hältst, Nesrin, ihre Worte sind alles, was wir an Hinweisen haben. An keinem Ort, wo mein Volk besteht, fand sich der Heilerin Hauch. Wir sollten bei der Ehernen Festung beginnen. Dort kann wahrscheinlich kein Tier überleben, also bestehen, nicht mal eine Schlange. Wir sollten dort beginnen, wo wir die Eherne Festung gesehen haben. Vielleicht finden wir da eine Spur.“
„Ich hatte befürchtet, dass du so was sagst.“ Nesrin entleerte den Inhalt ihrer Umhängetasche auf ihr Bett. „Sehen wir mal, was wir davon mitnehmen.“ Sie hob den verknoteten Zaubertopf hoch, in dem die Ifrit und Afrit gefangen waren. „Sollen wir das Ding einpacken?“ Sie schob den Topf zurück in die Tasche und fegte eine Handvoll Sand von der Bettdecke. „Was soll’s! Nehmen wir es mit! Eine Art Waffe ist es schon, wenn auch eine unkalkulierbare.“
Kiana schaute aus dem Fenster, wo noch immer ihr Dschinn am Himmel kreiste. Sollte sie ihn zurückholen in die Sicherheit ihres Glasanhängers? Da er jedoch so … ja, glücklich aussah, so hoch oben über allem, brachte sie es nicht übers Herz, ihn wieder einzusperren.
Es klopfte an der Tür. Auf Nesrins „Herein!“ trat ein Exemplar von Avas Dschinn ins Zimmer. Bevor er die Tür schließen konnte, drängte sich Amir an ihm vorbei.
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