Goldfalke (German Edition)
auf, sich den Kaffee abzuw ischen, und richtete sich auf.
„Ich habe gar nichts mit ihm zu schaffen“, erklärte Kiana kleinlaut. „Das hier war … ein Versehen. Und es tut mir sehr Leid!“
Niemand beachtete sie. Amir und Farid standen sich gegenüber. Gleich groß, gleich breitschultrig, gleich abschätzend. Nicht offen feindselig, aber fast. Keiner war bereit, als erster die Augen vom anderen abzuwenden.
Ava entschärfte die Lage, indem sie zwischen die beiden trat. „Das ist nichts, was eine Wäsche nicht beheben könnte. Warum gibst du die Weste nicht einfach meinem Dschinn, mein Sohn?“
Mit einem letzten durchbohrenden Blick auf Kiana drängte sich der Prinz durch die Reihe der Schaulustigen und verschwand im Palast. Und sogleich fiel Kiana das Atmen wieder leichter. Warum mal ihr Teppich und mal ihr Dschinn so dermaßen peinlich auf Farid reagierte, war ihr schleierhaft. Aber sie musste dringend etwas dagegen tun.
Nur was?
„Nachdem jetzt alle ihren Spaß hatten“, meinte Nesrin, „können wir ja losdüsen.“
Ungläubig deutete Amir auf Nesrin. „In dem Aufzug willst du in den Kampf ziehen?“ Er selbst trug weiche braune Lederstiefel, eine weite weiße Hose und ein knielanges weißes Hemd, zusammengehalten durch einen Ledergürtel, und darüber einen dünnen Staubmantel. Seinen Kopf bedeckte ein schlanker Turban, dessen loses Ende locker um den Hals lag. Mantel und Turban waren in Rotbraun gehalten und unterschieden sich somit deutlich, und sicher absichtlich, vom hellen Sandbeige der Palastkrieger.
„Offiziell sind wir immer noch ein paar Jugendliche auf Shoppingtour, die sich verflogen h aben. Und dafür passt das Outfit doch ganz gut, oder nicht?“ Nesrin zupfte an ihrem pinkfarbenen, hautengen Oberteil, dessen silberne Stickerei sich in ihrer pinkfarbenen, weit schwingenden Hose fortsetzte. Ihre Garderobe wurde abgerundet durch ein pinkfarbenes, großes, fast durchsichtiges Tuch, das als Sonnenschutz diente.
„Wo hast du d ein Gepäck, Amir?“, fragte Ava.
„ Ich habe es schon zum Eingang des Palastes gebracht.“
Nesrin drückte Kiana deren Tasche sowie den aufgerollten Pfeilteppich in die Hand und grinste verschmitzt. „Das hier ist dir irgendwie abhanden gekommen, Ki. Der Teppich war ganz heiß drauf, nach draußen zu düsen. Ich hab ihn mir gerade noch rechtzeitig gekrallt, bevor er einem von Avas Dschinns die Teekanne aus der Hand fegen konnte.“
Dankend hängte sich Kiana die Tasche über die Schulter, klemmte sich ihre Teppichrolle unter den Arm und folgte den anderen durch den großen Saal, wo ihnen gute Wünsche für ihre Reise zugerufen wurden.
In der Eingangshalle reichte einer von Avas Dschinns seiner Herrin verschiedene Dinge. Das größte war ein mit einem Deckel verschlossener Proviantkorb, ähnlich dem, den Kiana verloren hatte, nur etwas größer. Ava schob den prall gefüllten Lederschlauch, der schon letztes Mal ihre Wasser-Notreserve gewesen war, in Nesrins Tasche und gab jedem der Mädchen einen kurzen Krummdolch in einer wundervoll gearbeiteten Silberscheide. „Ich glaube nach wie vor, dass eure Dschinns eure besten Waffen sind, aber da du nach einer Klinge verlangt hast, Nesrin, sollt ihr welche haben.“ Verschwörerisch lächelnd senkte sie ihre Stimme zu einem Flüstern, das nur die beiden Mädchen hören konnten. „Diese Dolche sind viel praktischer als das alte Stück da drüben.“ Ihr Kinn deutete auf den Vierklingendolch, dessen Handhabung Amir soeben vom Großwesir erklärt wurde.
Wie Nesrin bedankte sich Kiana, steckte den Dolch in ihren Gürtel und schaute, einer Eingebung folgend, hinüber zum großen Bodenmosaik. Überraschenderweise war es diesmal in düsteren Tönen gehalten, schwarz und dunkelgrau. Bis auf die Mitte. Dort war ein helles Tier abgebildet, das ein bisschen glitzerte.
„ Welche Botschaft gibt dir das Mosaik heute, Kiana?“, fragte Avas Stimme hinter ihr.
Inzwischen erschien es Kiana fast normal, dass ein Gebäude eine Botschaft geben konnte. Was sie allerdings noch immer wunderte, war die Tatsache, dass außer ihr niemand erkennen konnte, was doch so offensichtlich war: „Ich sehe Dunkelheit. Und in der Mitte ein seltsames, funkelndes Tier mit langem Hals und Raubtierpfoten und Schlangenkopf und Stachel am Schwanz.“
„D er glänzende Drache“, hauchte Ava. „Der Dschinn deiner Mutter. Offenbar setzt auch der Palast alle Hoffnung darauf, dass du Elina findest. Ich wünsche dir alles Glück der Welt für deine
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