Goldfalke (German Edition)
Adrenalinjunkie-Jobs immer an uns hängen?“
Vorsichtig drehte Kiana den kleinen, verbeulten, noch immer von Seide und Schmuck umhüllten Topf in ihren Händen. Selbst in der Dunkelheit glänzte der goldene Schal, mit dem er zugebunden war, auf eine fast festliche Weise. Kiana rief den Falken und ließ ihn auf ihrer Schulter Platz nehmen, damit er keinen Brandpfeil abbekam.
„Sieh mal, Ki, jetzt setzen die Palastle ute ihre Dschinns ein!“
Noch immer zischten Brandpfeile durch die Nacht, was ziemlich nutzlos erschien, denn selbst wenn die Skorpionkrieger direkt getroffen wurden, störte oder bestenfalls behinderte sie das zwar, doch keiner von ihnen fing Feuer. Erst auf den zweiten Blick begriff Kiana, dass die brennenden Pfeile einem anderen Zweck dienten. Sie fielen kreisförmig in die Frontlinie der Feinde. In diese beleuchteten Kreise drangen Dschinns ein und töteten alles, was sich dort bewegte. Obwohl einige der Flammen dabei von den Skorpionen und vor allem den Ghulen ausgetreten wurden, blieben immer genug übrig, um für genügend Licht zu sorgen.
Eine Art Elefant, nur größer und mit speerartig spitzen Stoßzähnen, gabelte reihenweise Skorpione auf und trampelte sie anschließend in den Sand. Unterstützt wurde der Elefant von zwei Gestalten. Sie liefen rechts und links neben ihm her und sahen fast wie Menschen aus, nur mit Krummsäbeln als Arme, die sie in atemberaubender Geschwindigkeit rotieren ließen und so jeden Skorpionstachel abschnitten, der sich dem Elefanten näherte. Kiana erinnerte sich, dass diese beiden Dschinns die von Murat und Maimune waren und der Elefant vermutlich der ihres Vaters Kassim.
Außerdem war dort Sayeds Riesen-Dschinn, der Ghule wie Geschosse durch die Gegend schleuderte. Unweit von ihm stakste eine merkwürdige Art von Baum auf langen Wurzeln umher. So wie diese sich bewegten, waren sie durchaus biegsam, doch sie liefen in spitzen stabilen Enden aus, die einen Skorpionkrieger nach dem anderen aufspießten und anschließend wie Dreck abschüttelten.
„Oh, ich sag dir eins, Ki: So wenig mir die Idee gefällt, Baski auch da reinzulassen, komme ich mir doch recht doof vor, einfach hier rumzuhängen und zuzuschauen, wie sich sonst alle mit ihren Dschinns ins Zeug legen. Sowohl Baski als auch dein Falke sind echt gute Kämpfer. Was ist, wenn wir uns täuschen, und die Eherne Festung ist nicht hier irgendwo unter uns? Was, wenn sie erst morgen oder so kommt, nachdem die Skorpione und Ghule ihren Job gemacht haben? Dann würden wir jetzt hier völlig sinnlos warten und Däumchen drehen. Wie würden wir dann aussehen? Wie elende Schisser.“
„ Zweifle nie an dir oder deinem Dschinn!“ ertönte eine Stimme in Kianas Rücken. Die Mädchen fuhren herum und erkannten Fatima, die auf ihrem Teppich von hinten herangeflogen war, ohne dass der Falke oder Baski sie bemerkt hatten.
„Puh!“ Nesrin legte eine Hand auf ihre Kehle. „Bitte erschrecke mich nie wieder auf die Art! Mir reicht’s auch so schon.“
Die Seherin flog zwischen die Mädchen, die ihr respektvoll Platz machten, und fuhr fort: „Achtet nicht auf das, was die anderen und ihre Dschinns machen, sondern folgt eurem Geschick! Wozu hättet ihr sonst die Ifrit und Afrit einfangen sollen?“
Nesrin beruhigte sich halbwegs, und auch Kianas Zweifel schrumpften angesichts von Fatimas Zuversicht. Einen Augenblick lang verfolgten die Mädchen und die Greisin schweigend das Kampfgeschehen, bis Kiana fragte: „Was ist denn das für ein seltsamer Baum, der da unten Skorpione aufspießt? Und diese drei Lichtwesen, die aussehen wie Lampen in Menschenform? Und diese Spinne da hinten, die so groß ist wie ein Schaf, ist das auch ein Dschinn?“ Die Spinne sprang gerade einen Ghul an, hüllte ihn blitzschnell mit schnurdicken Spinnfäden ein und brachte ihn so zu Fall.
„ Die Spinne ist der Dschinn von Dschamal, dem Schriftgelehrten“, erklärte Fatima gelassen. „Üblicherweise hilft sie ihm, Schriftrollen und Bücher zu sortieren. Wem die drei leuchtenden Dschinns gehören, weiß ich nicht. Vermutlich irgendwelchen Nomaden, die Sorayas Hilferuf gefolgt sind. Und der wandelnde Baum dort ist der Dschinn der Gärtnerin. Ich kannte ihre Großmutter gut, die auch schon Gärtnerin war. Wie heißt das Mädchen gleich noch?“
„Du meinst Aynur“, half Nesrin. „Bisher hab ich ihren Dschinn mit seinen spitzen Wurzeln nur Pflanzlöcher in die Erde stechen sehen.“
„Ja, das kann er auch“, meinte die Seherin,
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