Goldfalke (German Edition)
das Grunzen der Ghule zu hören und das Knistern des Sandes unter dem Gewusel von Beinen.
Nesrin kramte eine Taschenlampe hervor und beleuchtete die Szene unter sich. „Oh Scheiße, hey! Das sind echt extrem viele.“
Und Kiana verkniff es sich, sie darauf hinzuweisen, dass die eigentliche Zahl der Monster bei weitem das übertraf, was Mond und Taschenlampe preisgaben.
Einige der Skorpione, die in den Lichtkegel der Lampe gerieten, richteten sich auf die Hinterbeine auf, schauten zu den Mädchen hoch und zirpten sich abgehackte Wörter zu. Kiana hörte Begriffe wie „Mörderhexen“, „Gefahr“ und „Ungläubige“ heraus. Kaum zu glauben, dass sie, die ihr Leben lang mit Religion vollgestopft worden war, jetzt zu den Ungläubigen gehörte!
„Na, Stachelfürze?“, rief Nesrin zu ihnen herab. „Alles klar bei euch da unten? Wir haben was Nettes für euch mitgebracht.“
Ein Ghul heulte auf und warf seine Axt nach oben. Die jedoch fiel auf halber Strecke wieder herab und wurde von gleichgültigen Skorpionbeinen in den Sand getreten. Obwohl dies zeigte, dass Werfen nicht die Stärke der Ghule war und dass sich die Mädchen in sicherer Höhe befanden, ließ eine alles erstickende Angst in Kiana keinen Funken Erleichterung aufkommen. Denn es war nicht auszudenken, was passierte, wenn sie das Gleichgewicht verlor und vom Teppich fiel. Unwillkürlich krampften sich ihre Hände beidseitig um den Teppichrand.
„ Armseliger Wurf, Erbsenhirn!“, rief Nesrin. „Mehr hast du nicht drauf?“ Sie griff in ihre Tasche.
„ Nicht!“, zischte Kiana und stieg noch höher in den Abendhimmel hinauf, um außer Hörweite der Feinde zu kommen. Da sie aber nicht wusste, wie gut Skorpionkrieger und Ghule hören konnten, wartete sie, bis Nesrin ihr gefolgt war, beugte sich zu ihr herüber und flüsterte: „Diese Armee ist viel zu groß, als dass die Ifrit und Afrit hier genügend Schaden anrichten könnten. Sie jetzt freizulassen bringt gar nichts. Selbst wenn sie einen Teil der Skorpione und Ghule lahmlegen, fallen die in der Masse noch nicht mal auf.“
„Aber was sollen wir dann damit machen?“
„Wir werfen sie in die Eherne Festung.“
Prompt rückte Nesrins Teppich eine Armlänge von Kiana ab. „Sag mal, hast du sie noch alle!?“
Kiana hatte alles hin- und herüberlegt. „Wir warten, bis die Festung auftaucht und werfen deinen Zaubertopf in das Fenster auf der höchsten Turmspitze. Denn als ich in die Festung eingestiegen bin, war die Turmspitze unbewacht. Bemerkt wurde ich erst weiter unten.“
„ Die Idee ist so was von ...“ Unfertig klang Nesrins Satz aus, als würden ihr die Worte fehlen. Was für sie äußerst ungewöhnlich war.
„Wenn du darüber nachdenkst “, schloss Kiana, „wirst du feststellen, dass es die einzige Möglichkeit ist, die Ifrit und Afrit so einzusetzen, dass sie überhaupt irgendeine Wirkung haben. Wir müssen sie direkt auf Damon hetzen. Siehst du etwa eine bessere Möglichkeit?“
Nesrin sah auch keine.
Schweigend flogen sie weite Kreise, fanden jedoch nirgendwo auch nur einen Hinweis auf die Eherne Festung. Immer wieder schaute Kiana durch die Augen des Falken, konnte aber auch dann nichts erkennen. Nichts, was aus dem Boden ragte und den Fluss der Skorpione teilte. Keine verdächtigen Sandaufwürfe, keine Dünenbewegungen.
Gar nichts.
Mit durchtriebener Heimlichkeit hatte sich die Nacht nun restlos breitgemacht und selbst das Sehvermögen des Falken ausgehebelt. Als das Schlachtfeld vor dem Palast in Sichtweite kam, baute sich eine unerträgliche Spannung in Kiana auf. In wenigen Minuten würde der große Krieg ausbrechen, und sie würde gleich platzen, wenn sie nichts unternahm. Doch sie wusste nicht, was sie im Moment tun konnte. So blieb ihr nichts anderes übrig, als über dem vorderen Rand von Damons Hauptstreitmacht dem Palast entgegen zu treiben wie der Plastikmüll auf dem Fluss ihrer Heimatstadt.
Und sich genauso nutzlos zu fühlen.
Offenbar empfand Nesrin das genauso: „Ich weiß nicht, wie du das siehst, Ki, aber ich hab echt keinen Bock, hier die Eskorte für Damons Krabbelfreaks zu spielen.“
„Wir müssen sofort zur Stelle sein, sobald die Turmspitze der Ehernen Festung aus dem Sand kommt“, erklärte Kiana ihrer Freundin. Und mehr noch sich selbst. „Und hier ist der beste Ort dafür. Wir haben nur eine einzige Chance, den Zaubertopf rechtzeitig in die Festung zu werfen. Ist sie erst mal vollständig aus dem Sand herausgestiegen, werden sicher
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