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Goldfalke (German Edition)

Goldfalke (German Edition)

Titel: Goldfalke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noreen Aidan
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Kiana anblickte, murmelte sie eine Zustimmung, während sie sich angesichts seiner gelehrten Worte ihres eigenen Unwissens nur zu deutlich bewusst wurde.
    „… oder die Sanddüne von rechts …“
    Der Großwesir sprach weiter: „Um bei diesem primitiven Gottesbild zu bleiben: Wenn Gott bestimmt, in welche Kultur ein Kind hineingeboren wird, wie kann er dann willkürlich die, die in unseren religiösen Traditionen aufwachsen, für das Paradies vorbestimmen, und die, die er in anderen religiösen Traditionen aufwachsen lässt, als Ungläubige dem ewigen Höllenfeuer überantworten? Wäre ein Gott, der so etwas tut, wirklich barmherzig? Oder gerecht?“
    Kiana schwieg. N un hatte sie endgültig das Gefühl, auf einem löchrigen Flugteppich zu schweben, der sofort in sich zusammenfallen und sie in die Tiefe reißen würde, wenn sie etwas Falsches sagte. Oder auch nur dachte.
    Der Geier zeigte sich weiterhin beschwingt von seiner eigenen Rede: „… oder die Sanddüne von links …“
    „Bedränge das arme Mädchen doch nicht so, Sayed!“, warf Ava tadelnd ein. „Sie hat auch ohne deine spirituellen Spitzfindigkeiten schon genug zum Nachdenken. Erzähl ihr lieber, wer ihre Eltern wirklich waren! Du kanntest sie gut, und du bist unser bester Geschichtenerzähler.“
    „… oder auch die Sanddüne von vorne …“
    Avas Blick schwenkte zum Geier. „Danke, Miro, wir haben es verstanden!“
    Während der Ausschreier beleidigt den Schnabel hob und in Richtung Fensterfront drehte, schwieg der Großwesir nach der Art der geübten Erzähler, bis sich das erwartungsvolle Raunen ringsum gelegt hatte und nur noch mucksmäuschenstille Spannung zurückblieb. Der Saphir in Sayeds wollweißem Turban funkelte im Kerzenlicht wie ein drittes Auge. Obwohl der Großwesir nicht laut sprach, schienen seine Worte bis in die letzten Winkel des Saales hinein zu dringen. „Wie die Älteren von euch bezeugen können, wurde Elina, unsere geliebte und schmerzlich vermisste Schwester, in der Trüben Welt geboren, fand aber als junge Frau in eurem Alter …“, er deutete auf Kiana und Nesrin, „… von selbst zu uns. Plötzlich tauchte sie einfach auf im Bunten Basar, obwohl sie keine Grenzgängerin wie Fatima ist. Vorher ist das noch nie jemandem geglückt. Irgendwie hatte Elina das Portal gefunden, das zuvor von Fatima dort errichtet worden war und konnte es, wie auch immer, ungehindert passieren. Ich nahm sie unter meine Fittiche und erkannte bald ihre große Macht. Sie füllte bei Menschen, Tieren und sogar Pflanzen verbrauchte Lebenskräfte wieder auf. Alte Kühe gaben durch sie Milch wie noch nie zuvor, sie brachte verdorrte Äste zum Blühen, machte faule Birnen wieder frisch. Auf trockenen Äckern gediehen die größten Getreideähren, die ihr euch vorstellen könnt.“ Sayeds Finger bewegten sich waagrecht, als würden sie über jene Ähren streichen. „Wir alle wurden durch Elina verjüngt. Viele Lebensjahre wurden uns so geschenkt. Nicht wahr, edle Weitgereiste? Selbst deine unglaubliche Lebensspanne wurde durch Elina noch weiter verlängert.“
    „Allerdings.“ Fatima stemmte eine Hand auf ihre Lendenwi rbel. „Meine morschen Knochen vermissen Elinas Gabe schmerzlich.“
    Ein Mann in einem braunen Mantel trat zu Sayed, verbeugte sich und raunte ihm zu: „Verzeih, edler Großwesir, aber die Gesandten der Karawanserei sind angekommen.“
    „Entschuldigt mich!“ Sayed erhob sich. „Würdest du bitte weitererzählen, liebe Freundin?“ Er neigte seinen Kopf in Fatimas Richtung und verschwand mit dem Braungewandeten durch eine der hinteren Türen. Ava schickte einen ihrer Dschinns mit Essen und Getränken hinterher.
    Fatimas Seufzen ließ erahnen, dass sie nicht unb edingt erfreut war über die Aufgabe, die der Großwesir soeben an sie abgetreten hatte. „Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“
    „W ie hat Elina Ki’s Vater kennen gelernt?“, half Nesrins freche Neugierde der alten Frau auf die Sprünge.
    Fatimas Augen wanderten über die Köpfe der Zuhörer hinweg in die Ferne. „Ich traf Rupert, als ich die westlichen Länder bereiste. Er war ein junger Lehrer der magischen Künste. Im Westen lernen die Kinder der Klaren Welt magische Fertigkeiten nicht, wie es sich gehört, von ihren Familien und Freunden. Nein, sie haben dafür eine eigene Schule. So, wie sie für alles eigene Einrichtungen haben. Sogar für das Einrichten von Einrichtungen haben sie eine eigene Einrichtung.“
    Die Stimme eines beleibten

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