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Goldfalke (German Edition)

Goldfalke (German Edition)

Titel: Goldfalke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noreen Aidan
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Haushofmeisterin jede Lüge noch im Ansatz erkennen würde, war sie zur Wahrheit gezwungen: „Ich weiß nur, dass sie ihre Familie … uns … im Stich gelassen hat. Sie hat sich von …“, sie brachte das Wort Vater nicht über die Lippen, „… einem Ungläubigen schwängern lassen und mich schließlich nach meiner Geburt bei ihrer Schwester zurückgelassen, um mit dem Ungläubigen durchzubrennen.“ Tante Shabnam wurde niemals müde, auf die Herzensgüte hinzuweisen, die sie und Onkel Abdullah dazu bewogen hatte, Kiana aufzunehmen und großzuziehen. Wofür Kiana nie dankbar genug sein konnte.
    „ Was für eine bösartige Lüge!“ Dass Avas dunkler Teint erbleichte, war selbst im flackernden Licht der Kerzen zu erkennen.
    „Und was hat man dir über deinen Vater erzählt?“, fragte der Großwesir ungerührt.
    Kiana fühlte sich wie in einem endlosen Strom der Schmach gefangen, in den sie tiefer und tiefer sank. „Ich weiß nur, dass er ein Ungläubiger war, der meine Mutter entehrt hat.“
    „Er hat Elina nicht entehrt!“, entrüstete sich Ava. „Er hat sie rechtmäßig geheiratet. Hier im Schimmernden Palast. Elinas Mutter Bahar, deine Großmutter, und deren Bruder Ali haben die Hochzeit ausgerichtet. Davon, dass deine Mutter ihre Familie im Stich gelassen hätte, wie deine Tante dir anscheinend weisgemacht hat, kann keine Rede sein. Shabnam und Abdullah haben sich geweigert, mit uns mitzufeiern, weil sie erstens aus Aberglauben unsere Klare Welt als Dämonenhölle ablehnen und weil sie zweitens mit deinem Vater als Ungläubigen nichts zu tun haben wollten. Kaum zu glauben, dass Bahar zwei so unterschiedliche Töchter aufgezogen hat wie Elina und Shabnam!“
    Obwohl sich Kiana nichts sehnlicher wünschte, als dass die so ungewohnt guten Dinge, die hier über ihre Mutter anklangen, wahr wären, hörte sie sich murmeln: „Aber trotzdem war er ein Ungläubiger!“ Sie blickte Ava an und erlaubte sich den Mut, hoffnungsvoll hinzuzufügen: „Oder?“
    Während die Haushofmeisterin die Lippen zusammenpresste, antwortete Sayed bedächtig: „Was ist denn ein Ungläubiger?“
    Das wusste Kiana, denn das hatte man ihr eingebl äut, seit sie denken konnte: „Ein Ungläubiger ist einer, der nicht den wahren Glauben hat und deshalb auf ewig in der Hölle schmoren wird.“
    „ Das habe ich schon viel zu oft gehört in den letzten zwei Jahrtausenden!“, ertönte eine sehr bekannte Stimme. „Ich hatte gehofft, wenigstens hier von einem Gerede verschont zu werden, das mittlerweile sogar in der Trüben Welt als rückständig gilt.“
    Kiana drehte sich in die Richtung der Stimme und entdeckte Fatima, die sich ächzend neben Ava niederließ. Sofort eilte einer der langarmigen Dschinns herbei und reichte ihr eine Tasse Tee.
    Fatima bedankte sich, bestellte eine Schale Reisbrei und nahm einen Schluck Tee. „Bei all meinen Reisen durch Welten und Zeiten habe ich gehört, wie beide Seiten eines Kriegstreibens die jeweiligen Gegner als Ungläubige beschimpften. Schließlich gibt das ein billiges Feindbild ab, auf das Kriegsherren ihre Soldaten hetzen können. Sobald jemand Worte wie Ungläubiger in den Mund nimmt, gleichgültig in welcher Zeit, in welcher Welt, in welcher Religion, in welcher Sprache, dann kann ich blind sagen, dass es demjenigen nur um eines geht: Macht, die er unter Einsatz von Hass, Religion und Gewalt auf sich ziehen will. Und nichts davon können wir hier gebrauchen.“
    „ Da hast du Recht, liebe Schwester. Aber, um noch einmal auf meine Frage zurückzukommen,“ Sayed schwenkte sein Augenmerk zu Kiana, „was ist denn ein Ungläubiger? Nach meiner Erfahrung gibt es so etwas nicht. Jeder Mensch glaubt etwas. Nur weil Menschen in anderen Ländern das Erhabene mit anderen Namen benennen als wir, sollen sie Ungläubige sein?“ Er griff in den Fruchtkorb vor sich und holte einen roten Apfel heraus. „Ein Apfel ist ein Apfel, gleichgültig in welcher Sprache.“
    Dazu krächzte der Geier: „Und eine Sanddüne ist eine Sanddüne, auch wenn sie von jeder Seite anders aussieht. Dabei ist es nicht maßgeblich, ob man sie vom Boden aus b etrachtet …“
    „Ganz recht!“ Sayed zerschnitt die Frucht in zwei Teile und gab eines Nesrin und eines Kiana. „Sogar der unreife Gottesbegriff der Trüben Welt bezeichnet das Erhabene doch zumindest als barmherzig und gerecht, nicht wahr?“
    „… oder ob man die Sanddüne von oben betrachtet …“, fuhr Miro ungehindert fort.
    Da der Großwesir weiterhin

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