Goldfalke (German Edition)
gleichen Alter sind und weil du aussiehst, als könntest du eine Freundin gebrauchen. Mein magisches Talent ist das Finden von Dingen und Leuten und Orten, und dabei bin ich echt gut. Na schön, der Hauptgrund, dass sie mich dir zugeteilt haben, ist, dass ich erst seit einem Jahr hier im Palast lebe. Weder Damon noch die Typen, die er anführt, haben mich je zu Gesicht bekommen. Man kennt mich inzwischen zwar in der Klingenden Oase und natürlich im Bunten Basar und der Karawanserei.“ Mit einem verschmitzten Lächeln hob sie die Hände. „Hey, ich geh eben gerne shoppen. Aber auch von den Ladenbesitzern und Wirten würde keiner in mir eine ernstzunehmende Zauberin sehen, die vom Großwesir auf eine wichtige Wir-treten-Damon-in-den-Arsch-Mission geschickt wird. Dir traut man das genauso wenig zu. Deshalb sind wir beide perfekt für die Aufgabe. Außer …“ Ihr Gesichtsausdruck wurde nachdenklich.
„Außer was?“
Nesrins Augenbrauen zogen sich zusammen. „Angeblich hat Farid keinen Kontakt zu Damon. Aber wer weiß das schon. Farid ist echt schräg drauf. Ich traue ihm alles zu. Wenn er für den Löwen-Sultan spioniert, haben wir beide ein Problem. Soraya vertraut ihm, aber als Mutter ist sie voreingenommen. Außerdem bekommt sie in ihrem Zustand nicht gerade viel mit von dem, was hier so alles abgeht.“
„Warum sollte Farid für den Feind seiner Mutter spi onieren?“
„Damon ist schließlich sein Vater. Aber, wie gesagt, angeblich haben die beiden schon lange nichts mehr miteinander zu tun. Schau, da kommt Baski!“
Kiana versuchte, das Erschrecken über das soeben Gehörte mit ihrem letzten Bissen Brot herunterzuwürgen. Sie blickte auf und sah zwei übereinander liegende Teppiche herbeifliegen. Mit dem selbstzufriedenen Schurren einer Katze saß Baski obendrauf. Der Pfeilteppich schob sich unter Nesrins rosa Blütenteppich hervor und blieb vor Kiana in der Luft stehen. Zwei Tücher, die zwischen den Teppichen eingeklemmt gewesen waren, flatterten zu Boden.
Nesrin hob beide auf , gab das beigefarbene an Kiana weiter und schlang sich das grüne um ihren Kopf. „Damit wir uns keine Ohrenentzündung holen. In den Bergen ist der Wind frisch. Erst recht in Flughöhe.“
Dankend band sich Kiana das Tuch um, ließ alle rdings wie Nesrin das Gesicht unvermummt, um keinen Anstoß zu erregen bei den freizügigen Bewohnern dieser Zauberwelt. Seltsam, wie sich hier all das, wonach Kiana bisher gelebt hatte, ins Gegenteil verkehrte!
Nesrin drückte das Frühstückstablett mit dem leeren Geschirr einem von Avas Dschinns in die Hand, lud die beiden Taschen mit dem Reiseproviant vor Baski auf ihren Teppich und setzte sich mit einer beneidenswert geschmeidigen Bewegung hinter ihren Dschinn. Sie flog voraus und gewann rasch an Höhe. „Los, Ki!“
Mit deutlich mehr Mühe kletterte Kiana auf ihren Teppich. „Warte!“, rief sie ihrer Führerin hinterher. „Bitte nicht so hoch! Das traue ich mich noch nicht.“
Sofort drosselte Nesrins Teppich das Tempo und sackte ab bis zu einer Höhe, unter der ein Pferd gerade noch hätte durchgaloppieren können. Kiana richtete, wie sie es gelernt hatte, ihre Aufmerksamkeit auf Nesrin, und schon flog sie hinterher.
Zu Kianas Erleichterung glitt ihre Freundin langsam unter dem riesigen Tor der Außenmauer hindurch und schoss nicht darüber hinweg, wie das der Mann auf dem blauen Teppich vor ihnen machte. Während der Mann in Richtung des Bunten Basars weiterflog, drehte Nesrin nach rechts ab, auf das Gebirge zu, und wartete, bis Kiana aufgeholt hatte.
Eine Zeit lang flogen sie schweigend nebenei nander her, bis Kianas Verkrampfung so weit nachgelassen hatte, dass sie einen Teil ihrer Konzentration auf ein Gespräch verwenden konnte: „Was kannst du mir über Sahmaran erzählen, Nesrin? Wer ist das?“
„Das weißt du nicht? Sahmaran ist uralt, keiner weiß genau, wie alt, und sehr berühmt. Sogar in der Trüben Welt gibt es Märchen, Lieder und Gedichte über sie.“
„Ich jedenfalls kenne keine.“ Tante Shabnam und Onkel Abdullah hatten es nicht so mit Märchen, Liedern oder Gedichten.
Nesrins grüner Schal wehte wie eine Fahne hinter ihr her. „Sahmaran ist die Königin der Schlangen. Ich habe g ehört, dass sie sehr weise und zu Menschen sehr freundlich sein soll. Obwohl ein Mensch sie mal ziemlich verarscht hat. Irgendwelche Typen waren scharf auf ihre Weisheit und brachten Sahmarans menschlichen Geliebten in ihre Gewalt. Und der - diese feige, ehrlose Ratte! -
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