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Goldfasan

Goldfasan

Titel: Goldfasan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Zweyer
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eingerichtet. Ein weiß lackierter Tisch mit vier Stühlen, ein Schrank mit Anrichte, mehrere Regale an den Wänden und der große Spülstein, unterbaut mit einer weiteren Abstellmöglichkeit. Lediglich der Kohleherd mit den emaillierten Flächen mit buntem Dekor fiel in dem weißen Einerlei aus dem Rahmen.
    »Du meinst wohl Muckefuck?«, meinte Marianne Berger. Sie seufzte. »Aber was soll’s. Immer noch besser als nichts.«
    Lisbeth schenkte ein und entschuldigte sich. »Milch haben wir nicht. Und auch keinen Zucker. Wenn du aber etwas Rübensirup möchtest?«
    »Nee, lass mal. Das Zeug schmeckt auch so schon scheußlich genug.« Marianne schüttelte sich und nippte an der dunkelbraunen Brühe. »Ersatzkaffee. Brrr.«
    Trotzdem trank sie weiter. »Peter arbeitet?«, fragte sie dann.
    »Ja. Sie haben im Moment viel zu tun, sagt er.«
    »Sieh an. Ich dachte, in unserer Volksgemeinschaft gäbe es keine Kriminellen«, lästerte Marianne. »War wohl ’n Irrtum vom Amt.«
    Die beiden Frauen waren zusammen zur Schule gegangen, kannten sich von Kindesbeinen an.
    »Peter erzählt kaum Einzelheiten über seine Arbeit.«
    »Kann ich verstehen. Wer bei der Gestapo ist …«
    »Marianne! Peter ist nicht bei der Gestapo!« Lisbeth war empört.
    »Nein? Wo denn dann?«, spottete die Freundin.
    »Im Reichssicherheitshauptamt.«
    »Tatsächlich? Und wo ist da der Unterschied?«, sagte Marianne und hob beschwichtigend beide Hände. »Lass uns das Thema wechseln. Ich wollte dich nicht kränken. Und Peter auch nicht. Hast du schon mitbekommen, dass Dauerwellen verboten sind?«
    »Was? Das darf ja wohl nicht wahr sein. Woher weißt du das?«
    »Ich habe es in der Zeitung gelesen.«
    »Aber warum?«
    »Vielleicht sind Dauerwellen kriegswichtig.« Marianne kicherte. »Möglicherweise glaubt die Oberste Wehrmachtsführung, dass wir Frauen mit unseren Dauerwellen den Soldaten so den Kopf verdrehen, dass sie nicht mehr für den Endsieg kämpfen, sondern bei uns zu Hause bleiben wollen.«
    »Du scherzt.«
    »Natürlich. Aber ein anderer Grund fällt mir nicht ein.«
    Lisbeth überlegte. »Vielleicht werden die Chemikalien für etwas anderes benötigt.«
    »Für die Wunderwaffen?« Marianne blickte skeptisch.
    »Möglich.«
    Marianne nahm erneut einen Schluck Muckefuck, verzog das Gesicht und meinte: »Mag sein. Trotzdem, erst wurden Lippenstifte und Schminkutensilien verteufelt, dann gab es Kleider nur noch auf Karten, neue Schuhe sind gar nicht mehr erhältlich und jetzt wird die Dauerwelle verboten.«
    »Wenn das mit den Bombenangriffen so weitergeht, werden Dauerwellen unser kleinstes Problem sein«, flüsterte Lisbeth und warf, ohne nachzudenken, einen Blick nach draußen, fast so, als ob sie sich vergewissern wollte, dass dort keine unerwünschten Lauscher auf ein unbedachtes Wort hofften.
    Die Frauen kamen auf Unverfängliches zu sprechen, die Zeit verging wie im Flug.
    »Um Gottes willen, es ist ja schon fast vier Uhr.« Marianne raffte ihre Sachen zusammen. »Jetzt muss ich mich aber beeilen.« Sie warf ihrer Freundin eine Kusshand zu. »Tschüss. Pass auf dich auf. Und grüß Peter und deinen Vater. Ich finde schon allein raus.«
    »Werde ich machen«, rief ihr Lisbeth nach. »Wir sollten uns öfter die Zeit nehmen, um …« Das Schlagen der Haustür zeigte, dass ihre Freundin ihre letzten Worte nicht mehr gehört hatte.
    Lisbeth stand auf, räumte das gebrauchte Geschirr in das Spülbecken und ging in den Flur.
    »Vater?«, rief sie nach oben. »Bist du da?«
    Sie bekam keine Antwort. Beunruhigt stieg sie die Treppe hinauf. Die Tür zum Zimmer ihres Vaters stand offen. Sie warf einen Blick hinein. Es war leer. Lisbeth schüttelte den Kopf. Saß der alte Mann immer noch bei seinen Kaninchen? Was machte er da so lang?
    Sie beschloss nachzusehen, ging zum Stall und öffnete die Tür.
    »Vater? Was machst du hier so lange? Warum …« Als Lisbeth Golsten den ihr fremden Mann erblickte, der auf einem Holzklotz im Stall hockte, ein Glas Apfelsaft in der Hand, schaute sie überrascht von Hermann Treppmann zur offenen Deckenluke über ihnen. »Was soll … Wer ist das?«
    »Heinz Rosen«, erwiderte Hermann Treppmann lapidar. Der überraschende Auftritt seiner Tochter schien ihn nicht zu verunsichern. »Er wohnt vorübergehend bei uns.«
    »Hier?«
    »Wo sonst? Ich kann einen flüchtigen Nazigegner doch schlecht bei euch im Schlafzimmer einquartieren.«
    Lisbeth Golsten wurde weiß wie eine Wand. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Hatte sie

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