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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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der Satan selbst verlangt, dass ihr derartige Blutbäder anrichtet! Also lass es verdammt noch mal sein – sonst reiße ich dir eigenhändig deinen Kopf vom Hals und stopfe ihn zu den anderen Totenschädeln!«
    Olintecle starrte den »Dröhnenden« eingeschüchtert an.
    »Er sagt, ihr sollt aufhören, Menschen zu opfern«, übersetzte Marina.
    Carlita hielt den Atem an und erstarrte geradezu in meinem Arm. Mit einem Ausdruck kindlicher Hoffnung schaute sie den Herrscher von Zautla an – so als läge es in seiner Macht, sie aus dem Albtraum zu befreien, in dem sie gefangen war.
    »Ganz im Gegenteil!«, antwortete Olintecle und strahlte Portocarrero an. »Morgen feiern wir ein Fest zu Ehren von Tezcatlipoca. Ihr seid herzlich eingeladen, an der Zeremonie teilzunehmen –natürlich als unsere Gäste! Um Tezcatlipoca gnädig zu stimmen, werden wir fünfzig bestens gemästete junge Männer opfern.«
    »Das wirst du nicht tun, du gefiederter Kuhfladen!«, schrie Portocarrero.
    Er wollte sich auf den Herrscher stürzen, doch in diesem Moment flog eine Tür in einem flachen Anbau neben der Pyramide auf. Ein Dutzend Krieger stürmte heraus. Sie schwenkten ihre Speere und schrien ohrenbetäubend.
    »Lass ihn, Alonso!«, sagte Sandoval und packte den »Dröhnenden« vorsichtshalber hinten am Gürtel. »Oder willst du als Nummer einundfünfzig auf ihrem Opferstein enden?«
- 3 -
    Nach diesem Zusammenstoß am Fuß der großen Pyramide blieben die Beziehungen zwischen uns und den Indianern von Zautla angespannt. Cortés rief den Totonaken-Häuptling Mamexi zu sich und befahl ihm, seine vier angesehensten Krieger nach Tlaxcala zu schicken – in die Hauptstadt der erbitterten Todfeinde von Montezuma, die etwa auf halber Strecke zwischen Zautla und Tenochtitlan liegt. Sie sollten den Herrschern von Tlaxcala ankündigen, dass er, Hernán Cortés, der Statthalter des einzigen und allmächtigen Gottes und des Königs von Spanien, sie in Kürze aufsuchen werde. Er sei entschlossen, den Tlaxcalteken in ihrem aufopferungsvollen Kampf gegen das teuflische Tenochtitlan beizustehen. Cortés gab den vier Totonaken einen roten Tafthut und eine Abhandlung über die Allmacht Gottes mit, die er Diego noch am Vorabend diktiert hatte. »Aber niemand in Tlaxcala wird imstande sein, Euren Traktat zu lesen!«, wandte Marina ein, doch unser Herr gab ihr keine Antwort. Er überreichte den Totonaken Hut und Brief und scheuchte sie davon.
    Auf irgendeine Weise bekam Olintecle heraus, wohin Cortés die vier Totonaken-Krieger geschickt hatte. Daraufhin wurde die Stimmung zwischen ihm und unserem Herrn noch frostiger.Noch am selben Tag schickte Olintecle zwei finster dreinblickende Boten mit der Aufforderung, uns zur großen Opferzeremonie auf der Pyramide einzufinden. Es war mehr ein Befehl als eine Einladung, und nach kurzer Beratung mit seinen Vertrauten erklärte Cortés, er werde zur vorgesehenen Stunde dort sein. Er bestimmte, dass ihn Portocarrero, Alvarado und Francisco Montejo begleiten sollten, außerdem Cristóbal de Tapia, der würdevolle Konquistador, dem ich in Potonchan das Leben gerettet hatte. Des Weiteren sollten Diego und Marina an der Zeremonie teilnehmen sowie zwei Dutzend Männer zu ihrer Bewachung. »Du bleibst hier im Palast, Orteguilla!«, befahl mir unser Herr. »Du weißt, was du zu tun hast.«
    Ich senkte meinen Kopf. Ich fühlte mich beschämt, weil mich Cortés vor aller Augen zurechtwies. Doch zugleich war ich erleichtert, weil ich so nicht mitansehen musste, wie die Götzenpriester mit ihren schwarzen Steinmessern fünfzig wehrlose Opfer abschlachten würden. Vor allem aber spürte ich, dass Cortés sich nicht länger gedulden würde. Wenn er später am Tag hierher zurückkäme und ich ihm dann nicht zumindest ein paar vielversprechende Fetzen von Carlitas Geheimnis vorweisen könnte – dann würde er Fray Bartolomé befehlen, das Mädchen auf seine Weise zu befragen. Und das durfte auf gar keinen Fall geschehen!
    Ich suchte Carlita überall im Palast, doch ich fand keine Spur von ihr. Hatte sie etwa die Flucht ergriffen? Nein, unmöglich, sagte ich mir – wohin hätte sie denn fliehen können? Sie trug schließlich das Sklavenzeichen auf ihrem Unterarm, eine daumennagelgroße Raubvogelkralle. Und ob Sklavin oder frei – ein Mädchen oder eine junge Frau ohne bewaffneten Schutz war in dieser kriegerischen Welt verloren.
    Ich fand Carlita schließlich in einer Kammer im obersten Stock des Palastes. Sie saß auf einer

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