Goldfieber
Nacht wieder einmal einen prophetischen Traum. Ihr wisst, dass Gott selbst mir diese Träume schickt, um mir in derFinsternis, durch alle Angst und Verwirrung hindurch, den Weg zu weisen.«
Er schaute starr vor sich hin, und als mehrere Männer gleichzeitig fragten, was er geträumt habe, gab er keine Antwort. »Ich weiß jetzt, was zu tun ist«, sagte er nur. »Folgt mir, wir werden den Krieg mit den Tlaxcalteken noch heute beenden!«
Der Wundarzt Jeminez wollte ihm den Puls fühlen, offenbar in der Annahme, unser Herr rede im Fieberwahn. Aber Cortés entriss ihm seine Hand, schwang sich auf sein Pferd und galoppierte mit seinem Fähnlein davon.
Wir anderen, die wir im Lager zurückgeblieben waren, verlebten diesen Tag in wachsender Angst. Es wurde Mittag, dann Nachmittag – und Cortés kehrte nicht zurück. Schreckliche Vorahnungen quälten uns: Bestimmt waren sie den Tlaxcalteken in die Hände gefallen – und während wir untätig hier herumsaßen, wurden Cortés und seine Getreuen womöglich in einem Götzentempel dem Teufel geopfert!
Erst in der Abenddämmerung kehrten sie in unser Lager zurück. Cortés war bleich wie der Tod. Er stieg aus dem Sattel und wäre wie ein gefällter Baum umgesunken, wenn Diego und ich ihn nicht festgehalten hätten. Wir geleiteten ihn zu seinem Zelt und betteten ihn auf den Teppich, der ihm als Schlafunterlage diente. Und noch während ihm Jeminez seine wirkungslosen Arzneien einflößte, fiel Cortés in ohnmachtsähnlichen Schlaf.
Von Alvarado und Portocarrero, die ihn bei diesem jüngsten Ausfall begleitet hatten, war wenig zu erfahren. Sie waren bis zu der Tlaxcalteken-Stadt Tzompatzinco gelangt, ohne unterwegs angegriffen zu werden. In Tzompatzinco hatte Cortés den örtlichen Herrscher zu sprechen verlangt und ihm versichert, dass er mit den Tlaxcalteken Frieden schließen wolle. Sie hätten einen gemeinsamen Feind, verkündete er, und der heiße Montezuma. Wenn sie einander an die Gurgel gingen, würde das nur den Azteken in die Hände spielen. Er hielt ihnen sogar seine üblichePredigt und versicherte, dass er der Statthalter des allmächtigen Gottes und des Königs von Spanien sei. Wenn Notar Gutierrez mit ihm gekommen wäre, dann hätte unser Herr höchstwahrscheinlich auch noch das Requerimiento verlesen lassen.
Ob es ihm gelungen war, die Tlaxcalteken von seinen friedlichen Absichten zu überzeugen, mochten oder konnten Portocarrero und Alvarado nicht sagen. Zumindest hatten die Indianer nicht versucht, Cortés und seine Gefolgsleute zu ergreifen und auf dem Opferstein hinzuschlachten. Aber auch das lag vielleicht nur an ihren Vorstellungen davon, welche Verhaltensweisen ehrenvoll waren und welche nicht.
Am nächsten Morgen war unser Herr wieder bei klarem Bewusstsein. Unsere Lagerwache meldete, dass von Südwesten her erneut eine gewaltige Streitmacht auf unseren Berg zumarschiert kam, aber Cortés schien dem keine Bedeutung beizumessen. »Niemand schießt!«, befahl er und schickte die Wache ohne weitere Anweisungen wieder weg.
Er war so geschwächt, dass Diego und ich Mühe hatten, ihn auf seine Füße zu hieven. Kaum hatten wir ihn aus seinem Zelt ins Freie geschafft, da eilten die beiden Franciscos auf uns zu.
»Erteilt den Befehl zum Rückzug, Kapitän-General!«, beschwor ihn Francisco de Morla. »Noch ist es nicht zu spät!«
»Wenn wir nach Nordosten zurückweichen, werden sie uns unbehelligt ziehen lassen!«, bekräftigte Francisco Montejo. »Aber wir müssen auf der Stelle aufbrechen!«
Unser Herr klammerte sich links und rechts an Diego und mir fest. Doch sein Kinn war vorgereckt, die Brust gewölbt. »Die Flucht ergreifen?«, rief er aus. »Gerade jetzt, wo der Krieg gewonnen ist? Ihr müsst den Verstand verloren haben!«
Die beiden Franciscos tauschten finstere Blicke.
»Und diese zwanzigtausend Wilden da unten – was glaubt Ihr, warum die schon wieder im Sturmschritt angerannt kommen?«, rief wiederum Morla.
»Um uns um Frieden zu bitten«, antwortete Cortés. »Und um sich zu entschuldigen.«
Er krampfte seine Hand in meinen Unterarm. Sein Gesicht war grau und mit Schweiß bedeckt. Doch seine Augen funkelten vor Zuversicht und sogar vor Spottlust. Er schien sich seiner Sache vollkommen sicher zu sein und der ungläubige Zorn der beiden Franciscos erheiterte ihn offenbar sehr.
»Und um uns feierlich in ihre Hauptstadt zu geleiten«, fügte er hinzu.
- 8 -
Tatsächlich kam alles genau so, wie Cortés es vorausgesagt hatte. Niemand von
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