Goldfieber
verletzt worden, dass er in der Nacht nach unserem ersten Kampf gegen die Tlaxcalteken starb. Es war Pedro de Moron, ein Velazquez-Getreuer, der schon in Vera Cruz zu den Verschwörern gehört hatte. Sein Tod erschütterte auch viele treue Gefolgsleute von Cortés. Bisher hatte es immer so ausgesehen, als ob wir sogar gegen eine erdrückende Übermacht von Indianern letzten Endes den Sieg davontragen müssten. Doch Morons Tod führte uns vor Augen, dass auch die mit Steinsplittern gezähnten Holzschwerter der Indianer tödliche Waffen waren. Selbst wenn jeder unserer Kämpfer fünfzig von ihnen ins Verderben reißen würde – gegen eine tausend- oder sogar zweitausendfache Übermacht zu allem entschlossener Krieger konnten wir nicht bestehen.
Das erste Heer der Tlaxcalteken hatte sich uns entgegengeworfen, als wir gerade erst eine halbe Stunde tief in ihr Land eingedrungen waren. Da hätten wir noch hinter jene Mauer zurückweichen können, aber Cortés befahl seinen Hauptleuten, sämtliche Kompanien in die Schlacht zu führen. Die Tlaxcalteken hatten ihre Gesichter so bemalt, dass sie wie die Fratzen zorniger Dämonen aussahen. Als sie uns angriffen, schrien sie markerschütternd und vollführten so wilde Sprünge, dass selbst unsere abgebrühtesten Konquistadoren weiche Knie bekamen.
Sie kämpften tapferer und geschickter als alle Indianer, mit denen wir es bis dahin zu tun bekommen hatten. Todesmutig griffen sie sogar unsere Reiter an, klammerten sich an den Lanzen fest und schafften es, mehrere Reiter aus den Sätteln zu ziehen. Gleich bei dieser ersten Schlacht töteten sie zwei unserer unersetzlichen Pferde. Nur mit Mühe gelang es unseren Männern, die Kadaver in Sicherheit zu bringen.
Als sich die Tlaxcalteken nach stundenlangen Kämpfen endlich zurückgezogen hatten, befahl Cortés, die toten Pferde zu zerlegen und die Einzelteile an weit entfernten Stellen zu vergraben.Wenn die Tlaxcalteken schon herausgefunden hatten, dass unsere Pferde sterblich waren, sollten sie zumindest keine Gelegenheit erhalten, ihren Körperbau zu erforschen. Aber auch diese Mühen waren vergebens: Am zweiten Tag warfen uns die Tlaxcalteken eine Streitmacht von fünfzigtausend Kriegern entgegen, und diesmal gelang es ihnen, eine lebende Stute zu erbeuten.
Stunden und Stunden dauerte diese furchtbare Schlacht. Erst bei Einbruch der Nacht ließen die Angreifer urplötzlich von uns ab. Wir zogen uns auf den Gipfel eines Berges zurück, der wie eine natürliche Pyramide aus der Ebene aufragt. Solange wir nicht auszubrechen versuchten, ließen uns die Tlaxcalteken in Ruhe, aber dort oben gab es keine Quelle, keine essbaren Pflanzen und kein jagdbares Wild. Unseren Durst konnten wir nur mit Regenwasser stillen und unsere einzige Nahrung waren getrocknete Bohnen. Zwei zermürbende Wochen lang saßen wir auf diesem öden Felsen fest und unsere Stimmung wurde mit jedem Tag düsterer. Außer einer kleinen Götzenkapelle gab es dort buchstäblich nichts. Und obwohl Fray Bartolomé die Kapelle feierlich der Muttergottes geweiht und auf den Namen »Vitoria« getauft hatte, waren wir einem Sieg sehr viel ferner als dem Verderben.
Immer offener machten unsere Männer ihrem Unmut Luft. Insgesamt waren weit mehr als fünfzig von ihnen umgekommen, seit wir vor nicht einmal vier Monaten in Kuba aufgebrochen waren. Viele waren Krankheiten erlegen oder bei Unfällen ums Leben gekommen, aber das änderte nichts daran, dass unsere Zahl immer geringer wurde – und auch von denen, die noch am Leben waren, war fast die Hälfte verwundet. Überdies grassierte in unserem Lager ein tückisches Fieber. Ganz zu schweigen von Hunger und Durst, die uns alle fast unaufhörlich plagten, und von der ständigen Angst, dass die Indianer uns massakrieren oder in ihre Opfertempel verschleppen könnten.
Noch sprach es niemand offen aus, aber was die Männer dachten, war leicht von ihren Gesichtern abzulesen: Cortés hat uns in diese Lage manövriert – also soll er uns gefälligst auch wieder heraushauen! Und genau das tat er dann auch.
Gütiger Gott, wie gerne würde ich ungeschehen machen, was an jenem Septembertag geschehen ist! Oder es zumindest vergessen können, aus meiner Erinnerung löschen – wenigstens das! So wie sich Diego nichts sehnlicher wünscht, als die Bilder aus seinem Gedächtnis zu tilgen, die sich in Zautla in sein Bewusstsein eingebrannt haben, als er unseren Herrn zu jener Opferzeremonie begleitet hat. Ich weiß es genau, auch wenn
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