Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
Vom Netzwerk:
Diego niemals mit mir darüber gesprochen hat. Seine Schreie, sein Gestammel, wenn er wieder einmal nachts aus einem Albtraum aufschreckt, verraten mir mehr als genug. Tapferer Diego! Doch was die blutverkrusteten Götzenpriester mit ihren Opfern anstellen, hat mit ehrenvollem Kämpfen nichts zu tun! So wenig allerdings wie die unerhörten Grausamkeiten, die uns Cortés an jenem Morgen Anfang September verüben ließ.
    Uns, ja – auch mich! Diesmal war es an mir, unseren Herrn als Page zu begleiten, während Diego der Lagerwache zugeteilt worden war. Ich selbst habe weder mein Schwert noch auch nur eine Hand gegen die Bewohner jener Indianerdörfer erhoben – und doch werde auch ich mich für alle Zeiten mitschuldig fühlen. Mitschuldig an dem Blut, das wir vergossen, an den Schmerzen, die wir zugefügt haben, an den Qualen, der Erniedrigung und Angst. Warum, Herr, warum das alles? Das frage ich mich seit damals Nacht für Nacht.
    Es war noch vor dem ersten Morgenlicht, als wir jenen Ausfall wagten. In der Dunkelheit, so hatte uns Häuptling Mamexi erklärt, würde kein Indianer jemals in den Kampf ziehen – aus Angst vor übelwollenden Dämonen und weil sie es für unehrenhaft hielten, einen Feind im Schlaf zu überrumpeln. Nun, beiderleiBedenken waren Cortés fremd. Auf seinem lilienweißen Hengst sprengte er uns voran, Alvarado und Portocarrero folgten gleichfalls zu Pferde, und wir anderen, gut fünfzig Mann, rannten hinterher, so rasch unsere Füße uns trugen.
    Was in den folgenden Stunden geschah … Entsetzen und Reue hindern mich noch immer, all die grässlichen Einzelheiten aus meinem Gedächtnis aufzurufen. Wir fanden ein Dorf, ein zweites, schließlich ein drittes – und jedes Mal stürmten wir hinein und unsere Männer setzten alles in Brand. Die Bewohner stürzten aus ihren brennenden Hütten, einfache Bauern und ihre Frauen, kleine Kinder und Greise. Cortés befahl, sie allesamt zu töten – und sie nicht einfach nur umzubringen, sondern zudem zu verstümmeln, auf möglichst erniedrigende, abschreckende Weise, und ihre Überreste dort aufzuhängen, wo jeder sie unweigerlich sehen müsste. An Bäumen und am rußschwarzen Dachgebälk der wenigen festen Häuser.
    Die Schreie werde ich niemals vergessen, die Angstschreie, die Schmerzensschreie. Die Schreie des Entsetzens und der ungläubigen Wut. Und die Stille danach, wenn endlich alles vorbei war, das ganze Dorf tot! Alles niedergebrannt und ausgeplündert, die Bäume sich biegend unter der entsetzlichen Last, die unsere Männer ihnen ins Geäst gehängt hatten. Unsere Männer, die mir mit einem Mal ganz fremd geworden waren – obwohl ich doch seit Monaten mit ihnen herumzog und zusammenlebte wie mit einer großen Familie! Auch Cristóbal de Tapia war unter ihnen und selbst seine Gebärden hatten alle Feierlichkeit verloren. Auch sein Gesicht war gerötet und zur Fratze verzerrt. Auch seine Zähne waren gefletscht, und auch seine Augen glitzerten, als ob er den Verstand verloren hätte!
    Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, aber ich glaube, das gelang mir nur schlecht. Ich wollte schreien und presste meine Lippen aufeinander. Ich wollte wegrennen und befahl meinen Füßen, wie angeleimt zu verharren. Tränen brannten mir inden Augen und in der Kehle. So betete ich im Stillen, inbrünstig wie seit meinen Kinderjahren nicht mehr. Doch ich betete nicht für mich, und ich betete auch nicht für die unglücklichen Dorfbewohner – die waren als Heiden gestorben und würden niemals zu unserem allmächtigen Gott in den Himmel gelangen.
    Ich betete für Cortés.
- 7 -
    Noch am selben Tag griffen uns die Tlaxcalteken erneut mit fünfzigtausend Kriegern an. Wir waren erst seit ein paar Stunden zurück in unserem Lager, und obwohl wir immerhin größere Mengen an Nahrungsmitteln erbeutet hatten, war die Stimmung unter unseren Männern womöglich noch niedergedrückter als vorher. In Windeseile hatte sich herumgesprochen, dass bei unserer »Strafaktion« Hunderte unschuldiger Dorfbewohner umgekommen waren, und nicht nur unsere totonakischen Verbündeten waren fassungslos. Häuptling Mamexi flehte unseren Herrn geradezu an, so etwas auf keinen Fall noch einmal zu machen – er befürchte, dass seine eigenen Krieger sich sonst gegen uns wenden könnten. Wehrlose Frauen, Kinder und alte Männer abzuschlachten – das vertrug sich nicht mit ihrer Kriegerehre und das rief den Zorn der Götter hervor!
    Ich war dabei, als Mamexi unseren Herrn in dieser Weise

Weitere Kostenlose Bücher