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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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sollen sich die Herrscher dieser Stadt mir als Vasallen unterwerfen! Und der Rest von euch begibt sich auf schnellstem Weg zurück zu Montezuma! Fort mit euch!«
    Cuitlalpitoc und ein zweiter Adliger aus Tenochtitlan blieben bei uns. So zogen wir weiter die Straße entlang nach Südwesten. Die Nacht verbrachten wir zum ersten Mal nach Wochen wieder in offenem Gelände. Sandoval teilte doppelt so viele Männer wie üblich als Lagerwachen ein und ordnete an, dass die ganze Nacht über an allen vier Ecken unseres Lagers Feuer unterhalten werden sollten. Auch ich musste in dieser Nacht Wache halten, und das Los bestimmte, dass Cristóbal de Tapia und ich vier Stunden lang zusammen am Feuer saßen.
    Tapia nannte mich wieder »mein Retter«, er benahm sich sogar noch feierlicher als sonst. Irgendwann im Verlauf dieser Nachtkam mir der Gedanke, dass er mich so vielleicht vergessen machen wollte, wie er sich an jenem Tag in den Tlaxcalteken-Dörfern betragen hatte. Ich überlegte, wie ich das Gespräch auf den Blutrausch bringen könnte, der ihn und die anderen damals befallen hatte. Aber ich schaffte es einfach nicht und schließlich kam der schlaftrunkene Diego herbeigewankt und löste mich ab.
    Am nächsten Morgen erschien tatsächlich eine Delegation aus Cholollan, angeführt von zwei ungemein würdevollen Fürsten. Sie knieten vor Cortés nieder und leisteten ihm den Treueid, indem sie Wort für Wort wiederholten, was Notar Gutierrez vorlas und Marina übersetzte. Auf mich wirkten sie mehr wie Bischöfe oder Oberpriester als wie weltliche Herrscher, und wirklich erklärten sie, dass Cholollan vor allem als Stadt der Tempel und Götterfeste weithin berühmt sei. Zu ihrem Gefolge gehörten zahlreiche Priester, die zu Cortés’ Ehren Weihrauch verbrannten und auf Muscheltrompeten spielten.
    »Diese verfluchten Teufelspriester – sie beten dich an, Hernán!«, dröhnte Portocarrero. »Wenn sie so weitermachen, schließe ich sie doch noch in mein Herz!«
    Das stille Lächeln kräuselte Cortés’ Lippen. Der Wind spielte mit den roten Federn an seinem Hut.
    »Bitte nehmt Platz, Herr!«, sagte einer der Fürsten mit einer ehrerbietigen Verneigung. Er deutete auf eine kostbar verzierte Sänfte, die von sechs Sklaven getragen wurde.
    Da stürzte Xicotencatl der Jüngere herbei und fasste unseren Herrn ungestüm beim Arm. Er zog ihn einige Schritte zur Seite und Cortés ließ es geschehen. Der Tlaxcalteken-Prinz persönlich führte die zweitausend Krieger an, die die beiden greisen Könige von Tlaxcala uns überlassen hatten. »Geht nicht nach Cholollan, Herr!«, sagte er leise. »Ihr scheint darauf zu setzen, dass sie Euch für den wiedergekehrten Quetzalcoatl halten. Aber was wäre, wenn sie Euch das nur glauben machen wollen, damit Ihr ihnen arglos in die Falle geht?«
    Cortés wechselte einen Blick mit Marina. Auch Alvarado war zu ihnen getreten und unser Herr schaute auch ihn fragend an. Der »Durchtriebene« schüttelte fast unmerklich den Kopf.
    »Wenn Cholollan, wie du sagst, eine Falle ist«, antwortete Cortés schließlich Xicotencatl, »was ist dann deiner Meinung nach Tenochtitlan?«
    Er wandte sich um und nahm in der Sänfte Platz. Noch vor der Mittagsstunde erreichten wir Cholollan.
    Sie brachten uns geradewegs zu ihrem gewaltig großen Tempelplatz im Herzen der Stadt. Dort erklärten uns die beiden Fürsten mit sichtlichem Stolz, welche Götter in welchem Tempel angebetet wurden. Eine stattliche Pyramide, die neuer als alle anderen Bauwerke aussah, war himmelblau bemalt und Huitzilopochtli geweiht – dem Kriegsgott der Azteken, der erst seit gut Hundert Jahren auch in Cholollan verehrt wurde. Die weitaus größte Pyramide, die von einem wuchtigen Würfelbau gekrönt wurde, sah dagegen uralt aus und war es wohl auch. »Die größte Pyramide der Welt!«, erklärte einer der Fürsten. »Hundertzwanzig Stufen misst sie bis hinauf zum Tempel des Tlaloc – sieben Stufen mehr sogar als die Huitzilopochtli-Pyramide in Tenochtitlan!«
    Die Stufen waren mit Blut verkrustet. »Quält ihr hier auch Kinder zu Tode, damit euer stinkender Wettergötze euch Regen schenkt?«, schrie Portocarrero.
    Falls Marina seine Frage übersetzte und falls irgendjemand ihm darauf antwortete, so bekam ich es jedenfalls nicht mit. Ich starrte die gigantische Bildsäule an, vor der Cortés mitsamt seiner Sänfte abgesetzt worden war. Die Säule steht vor einem lang gezogenen Tempelbau, der sich auf einer steinernen Plattform erhebt und von

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