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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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ihnen erkannte ich wieder, nachdem sie die Geste des Bodenküssens vollendet und ihre Oberkörper wieder aufgerichtet hatten. Es war Cuitlalpitoc, der uns schon zu Ostern im Land der Totonaken aufgesucht hatte, zusammen mit dem Tributeintreiber Teudile.
    Cuitlalpitoc war diesmal noch kostbarer gekleidet, falls das überhaupt möglich war. Sein Umhang schimmerte vor Gold und Silber, und er klirrte und klingelte bei jeder Bewegung wie eine Marienkapelle, so verschwenderisch waren sein Hals, seine Handgelenke und sogar seine Fußknöchel mit Gold- und Silberketten umwunden. »Der Große Montezuma ist erstaunt und befremdet, Herr«, verkündete er, »weil Ihr Euch so lange bei seinen Feinden, den Tlaxcalteken, aufgehalten habt. Aber er ist bereit, Euch auch diesmal zu verzeihen, und betrachtet Euch weiterhin als seinen Freund.«
    Cortés war stocksteif stehen geblieben, während die Abgesandten vor ihm auf den Knien lagen. »Wie viele Krieger befehligt der Große Montezuma? Und wie oft hat er schon vergeblich versucht, die Tlaxcalteken zu bezwingen?«, fragte er in gleichgültigem Tonfall, so als würde er sich erkundigen, wie viele Paar Schuhe der Aztekenherrscher besaß. »Ich jedoch habe ihnen mit ein paar Hundert Männern widerstanden und bin bis in ihre Hauptstadt marschiert«, fuhr er mit dem gleichen leiernden Stimmklang fort. »Die Herrscher von Tlaxcala haben sich mir, dem Statthalter des Königs von Spanien, als Vasallen unterworfen – und du redestvon Verzeihen? Ich verlange, dass sich mir Montezuma gleichfalls unterwirft – sonst wird er es sein, der mich um Verzeihung anfleht! Aber dann wird es zu spät sein!«
    Cuitlalpitoc und die anderen Abgesandten wechselten bestürzte Blicke. »Ihr missversteht, Herr …«, begann einer von ihnen, doch Cortés brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. Die roten Federn wippten an seinem Hut – und in diesem Moment erst wurde mir klar, warum er mir und Diego damals bei der Kapelle »Vitoria« befohlen hatte, gerade diese Federn an seinem Hut zu befestigen. Weil Rot nach dem Glauben der Indianer die Lieblingsfarbe des sanften Götzen Quetzalcoatl ist.
    »Ich bin milde und gütig«, sagte Cortés und starrte durch Cuitlalpitoc hindurch. »Ich verschmähe nicht nur Menschenopfer, sondern jede Art von unnötiger Gewalt. Aber selbst meine Geduld ist nicht unendlich – richte das Montezuma aus!«
    Cuitlalpitoc stammelte irgendetwas und nickte dazu immer wieder mit dem Kopf. Er winkte ein halbes Dutzend Sklaven heran und sie rollten Matten vor Cortés’ Füßen aus und häuften darauf Unmengen kostbarer Geschenke auf: kunstvoll verzierte Umhänge und Federschmuck sowie etliche eindrucksvolle Figuren und Masken aus Jade und Grünstein.
    »Nichts davon hilft gegen die Krankheit unserer Herzen!«, rief Cortés aus. »Hat der Große Montezuma etwa kein Gold mehr?«
    Cuitlalpitoc versetzte einem der Sklaven einen Tritt, und der beeilte sich, ein weiteres Bündel vor unserem Herrn auszurollen. Zum Vorschein kamen fünf goldene Teller und ebenso viele Becher aus gehämmertem Silber.
    »Der Große Montezuma«, verkündete einer der Abgesandten, »lädt Euch ein, Euch nach Cholollan zu begeben und dort in aller Bequemlichkeit auszuruhen. In wenigen Tagen wird eine Abordnung der edelsten aztekischen Fürsten nach Cholollan kommen und Euch in allen Ehren nach Tenochtitlan geleiten.«
    Cortés reckte sein Kinn vor und wölbte die Brust heraus. »Umbis dahin zumindest die ärgsten Qualen unserer Herzen zu lindern, gebt uns alles Gold, das ihr bei euch tragt!«
    Wieder wechselten die Gesandten erschrockene Blicke. Zögernd griffen sie nach ihren Goldketten, streiften sie über ihre Köpfe und legten sie neben den Bechern und Tellern unserem Herrn zu Füßen.
    »Alles«, beharrte Cortés. »Auch die Armbänder und Fußketten. Und eure Umhänge und Sandalen – alles, was auch nur einen Faden Gold enthält!«
    Wenig später standen Montezumas Abgesandte nahezu nackt da. Vielleicht hätte Cortés ihnen auch noch befohlen, ihre Hüfttücher abzuwerfen, doch die waren zum Glück für Cuitlalpitoc und die anderen nicht mit Goldfäden durchwirkt. Gedemütigt rissen sie ihren Sklaven die Umhänge von den Schultern und hüllten sich in diese einfachen Gewänder aus Pflanzenfasern, die in Tlaxcala sogar die höchsten Herrscher tragen, jedoch mit viel mehr Würde und Stolz.
    »Zwei von euch bleiben bei uns«, befahl Cortés. »Zwei weitere eilen uns voraus. Bevor ich Cholollan betrete,

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