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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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lasst uns verschwinden, Kapitän-General!«, schrie ein anderer. »Solange uns noch ein Herz in der Brust schlägt und solange wir unseren Kopf noch auf dem Hals tragen!«
    »Ihr habt doch das Gold gesehen!«, hielt Tapia entgegen. »Davon gibt es hier bestimmt noch viel mehr! Wir können doch nicht einfach verschwinden, ohne das alles vorher einzusammeln!«
    »Aber ihre Zauberer können grässliche Geister beschwören – sagen die Tlaxcalteken!«, schrie wieder ein anderer Konquistador. »Gespenster, die ihren Kopf unter dem Arm tragen und ihren Brustkorb auf- und zuschnappen lassen!«
    Unser Herr nahm seinen Hut vom Kopf und ließ ihn achtlos neben sich auf den Thron fallen. Auf sein Geheiß hat Diego heute früh die roten Federn wieder von der Krempe entfernt. »Hört auf, wie Hühner durcheinanderzugackern!«, befahl er uns. »Wir haben eine Mission zu erfüllen, wie könnt ihr das nur vergessen?« Er saß so aufrecht auf dem Thron, als ob er Montezumas Zepter verschluckt hätte. »Gott selbst hat uns hierhergeschickt!«, rief er aus. »Wir sind getaufte Christen – kein Teufelszauber kann einem von euch etwas anhaben, solange ihr nur euren Glauben bewahrt! Unsere Mission wird erst dann erfüllt sein, wenn sich Montezuma zum einzig wahren Glauben bekannt und unserem König den Vasalleneid geleistet hat. Und noch dazu ist die ganze Stadt voller Gold! Es quillt aus allen Kellern und Mauerlöchern! Was bringt euch nur auf die Idee, das alles aufzugeben – ohne jede Not?«
    Wir starrten ihn ungläubig an. Wieder schrien alle durcheinander.
    »Ohne jede Not?«, wiederholte Alvarado. »Was bei allen Heiligen soll das heißen, Hernán?«
    Unser Herr reckte sein Kinn vor und starrte ins Leere – oder in eine glänzende Zukunft, die allein er vor sich ausgebreitet sah. »Habe ich euch nicht schon mehrfach von dem Traum erzählt,der mich in letzter Zeit immer wieder heimsucht?«, fragte er in anklagendem Tonfall. »Es ist einer jener Träume, die Gott der Herr mir schickt, um mir den Weg zu weisen.«
    Seine Vertrauten wechselten verstohlene Blicke. Francisco de Morla verdrehte sogar die Augen und schaute den anderen Francisco in einer Weise an, als wollte er sagen: Siehst du jetzt, dass er den Verstand verloren hat?
    »In dem Traum sitze ich mit Montezuma zusammen auf einem Thron«, fuhr Cortés fort. »Die Botschaft, die Gott der Herr mir durch diese Vision schickt, ist vollkommen klar: Ich soll Montezuma nicht gewaltsam von seinem Thron verdrängen, sondern mit ihm und durch ihn das Land regieren und auf diese Weise langsam und unmerklich die Herrschaft an mich ziehen.«
    Unser Herr unterbrach sich und schaute sich suchend um, bis sein Blick auf mich traf. Er nickte mir zu und jenes Lächeln kräuselte seine Lippen. Doch ehe er weitersprechen konnte, rief Sandoval aus: »Die Herrschaft an dich ziehen – wie stellst du dir das um Himmels willen vor, Hernán? Du hast doch selbst gesehen, dass sein Bruder ihm die Zügel aus der Hand genommen hat!«
    Noch nicht!, schoss es mir durch den Kopf, und mein Herz begann mit einem Mal, wie irrsinnig zu hämmern. Noch ist es nicht so weit!, dachte ich und verstand selbst nicht einmal zur Hälfte, was diese Gedankenfetzen bedeuteten. Aber ich spürte, dass ich drauf und dran war, einen Blick in Montezumas Herz zu erhaschen. Vor Aufregung vergaß ich wieder einmal zu atmen.
    »Ich habe mich getäuscht«, räumte Cortés freimütig ein, »wenn auch nicht im Grundsatz, so doch in einer wichtigen Einzelheit. Der Thron, von dem aus ich mit Montezuma dieses Reich regieren soll – als Statthalter Gottes und unseres Königs –, steht nicht drüben in Montezumas Palast.«
    Er klopfte neben sich auf den mit kunstvollen Schnitzereien verzierten Sitz. »Dieser Thron steht hier! Was starrt ihr mich so an?«, fuhr er fort. »Gleich morgen früh werde ich zu Montezumahinübergehen und ihn einladen, für eine gewisse Zeit mein Gast zu sein.«
    »Dein Gast zu sein?«, schrie Portocarrero. »In seiner eigenen verfluchten Stadt, seinem eigenen mit Teufelsfladen zugeschütteten Reich?«
    »Wo sonst, Alonso?«, gab Cortés zurück. Er erhob sich von seinem Thron. »Und jetzt lasst uns bei einem kräftigenden Mahl besprechen, wie wir die Aktion im Einzelnen durchführen werden.«
- 2 -
    Während wir uns mit Kakao, Tortillas und kaltem Truthahnbraten stärken, erklärt uns Cortés, wie »die Aktion« im Groben ablaufen soll. Unter dem Vorwand, von Montezuma Abschied zu nehmen, wird er mit vier

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