Goldfieber
Unterlippe vor und puste mir Kühlung zu. Noch immer glüht mein Gesicht bis in die Stirn hinauf, aber nun ist es ein Glühen vor Stolz. Ich spüre, dass Cortés mir glaubt, und vor allem spüre ich, dass es mir wahrhaftig geglückt ist, Montezumas Herz zu ergründen!
»Er selbst hat es mir offenbart, Herr«, antworte ich. »Beim Abstiegvon der Großen Pyramide sagte er zu mir: ›Don Hernando wird mein Bruder sein, weil ich das so wünsche!‹ Damals verstand ich nicht, was seine Worte bedeuten sollten, aber jetzt spüre ich ganz deutlich: Wenn Ihr ihn als sein Bruder darum bittet, wird er Euch hierherbegleiten und diesen Thron mit Euch teilen.«
Wieder starren mich alle an. Doch diesmal lese ich auf ihren Gesichtern, dass ich sie überzeugt habe oder dass sie zumindest nachdenklich geworden sind.
»Also dann, Hernán«, sagt schließlich der »Durchtriebene«, »machen wir uns bereit, deinen Herzensbruder heimzuholen!«
Cortés schenkt ihm keinerlei Beachtung. »So könnte es wirklich gehen«, sagt er. »Wir werden ihn hier in allen Ehren aufnehmen und weiterhin als König behandeln. Er soll von diesem Thron aus regieren wie bisher – nur mit dem Unterschied, dass ich neben ihm sitzen werde. So wie es mir geträumt hat und so wie er selbst es sich anscheinend wünscht.«
Cortés hebt seinen Blick und ein heiteres Lächeln fliegt über sein Gesicht. »Und du, Orteguilla, wirst unser beider Page sein!«
- 3 -
»Ist es Euer schmerzendes Herz, Don Hernando«, fragt Montezuma lächelnd, »das Euch zu so früher Stunde zu mir treibt? Lechzt ihr nach weiteren Tränen des Sonnengottes?«
»Ihr seid zu großzügig, edler Freund«, antwortet Cortés.
Hinter Montezumas Thron sind wieder die greisen Ratgeber versammelt. Doch im Augenblick sind keine Wächter im Saal und auch den grimmigen Cuitláhuac kann ich nirgends entdecken.
Cortés grüßt die Ratgeber ehrerbietig. Dabei geht er auf Montezuma zu, gefolgt von seinen drei Vertrauten, Tapia und mir. Marina hält sich dicht neben unserem Herrn. Sie trägt ihre Halskette mit dem massiven Goldkreuz, und ihre Augen sind unverwandt auf Cortés gerichtet, so als ob sie ihn verzaubern wollte.
»Ihr habt sicher bemerkt, dass ich sehr beschäftigt bin«, sagt Montezuma zu unserem Herrn und macht eine Handbewegung zur Tür hin. »Aber für Euch habe ich immer Zeit, mein Freund.«
Obwohl wir keinen Boten vorausgeschickt haben, um uns anzumelden, hat er uns unverzüglich in seinen Thronsaal vorgelassen. Dabei drängen sich unten in der Halle und im Innenhof unzählige Bittsteller und Abgesandte.
»Wollt Ihr die wirklich alle empfangen?«, fragt Cortés.
»Jeden Einzelnen«, bestätigt Montezuma. »Sie alle haben eine Beschwerde vorzubringen oder wollen einen Rat erbitten. Und ich habe für jeden ein offenes Ohr – so bin ich immer auf dem Laufenden und weiß ganz genau, was in den Köpfen und Herzen meiner Untertanen vorgeht.«
Cortés wechselt einen Blick mit Alvarado. »Ihr seid ein guter Herrscher, Montezuma«, sagt er, »und Euer Land ist wohlbestellt.« Er scheint wirklich beeindruckt.
Das Lob unseres Herrn heitert Montezuma noch weiter auf. »Vielleicht schmerzt Euer Herz heute ja auf eine Art, gegen die kein Gold hilft?«, fragt er mit schelmischem Lächeln. »Auch dafür weiß ich eine Arznei: Ich gebe Euch eine meiner Töchter zur Frau! Was haltet Ihr davon, Don Hernando? Oder auch zwei, wenn Ihr mögt«, fügt er hinzu und sein Lächeln wird zum verschwörerischen Grinsen.
Marina hat diese letzten Sätze des Herrschers nur widerwillig übersetzt. Grimmig schaut sie Cortés an, doch gleich darauf hellt sich ihr Gesicht wieder auf.
»Ich bin ein Christ und achte die Gebote Gottes«, antwortet unser Herr in feierlichem Tonfall. »Eine ungetaufte Frau kann niemals mein Herz für sich gewinnen. Außerdem habe ich bereits eine Frau.«
Er wölbt seine Brust heraus und reckt das Kinn vor. Seine Miene verhärtet sich. »Genug der scherzhaften Vorreden!«, sagter. »Ihr habt im Land der Totonaken gegen meine Garnison Krieg geführt, Montezuma! Wie könnt Ihr mich Freund nennen, wenn Ihr gleichzeitig Euren Offizieren befehlt, gegen meine Männer zu kämpfen? Soll sich alles, was in Cholollan geschehen ist, noch einmal wiederholen?«
Montezuma starrt ihn entgeistert an. »Aber so war es nicht!«, wendet er in kläglichem Tonfall ein. »Ihr wart doch selbst zugegen, als mein Bruder Cuitláhuac erklärt hat, dass sich die Dinge in Cempoallan ganz anders zugetragen
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