Goldfieber
gefiederten Sänfte, die mit Gold und Edelsteinen übersät ist.
Montezuma setzt sich hinein, ohne nach links oder rechts zu schauen. Er wirkt benommen und niedergedrückt. »Macht alles, was Don Hernando Euch befiehlt!«, sagt er zu seinen Trägern.
Sie schauen ihn voller Bestürzung an und wechseln besorgte Blicke. »Wollt Ihr, dass wir zu unseren Waffen greifen, Großer Montezuma?«, fragt einer von ihnen. »Drohen die bärtigen Fremden Euch mit Gewalt, falls Ihr nicht mit ihnen geht?«
Montezuma schüttelt den Kopf, ohne irgendjemanden anzusehen. »Huitzilopochtli hat mir eine Botschaft gesandt«, antwortet er. »Um meiner Gesundheit willen soll ich einige Zeit mit meinen spanischen Freunden verbringen. Ich folge ihnen aus freien Stücken.«
Mittlerweile steht die Sonne hoch am Himmel und der Platz ist wieder voller Schaulustiger. Der Zepterträger marschiert der königlichen Sänfte voran und Cortés wandelt neben Montezuma her. Seine Hauptleute und unsere dreißig bewaffneten Soldaten folgen – ein lachhaft kleiner Trupp inmitten Tausenden von Indianern. Doch alle sehen nur stumm und starr zu, wie wir uns einen Weg zu unserem Palast bahnen.
»Sollen wir gegen die Fremden kämpfen, Großer Montezuma?«, ruft einer der Wächter vor den Opferzellen zu uns herüber. »Haben sie Euch in ihrer Gewalt?«
Aber Montezuma antwortet nur: »Nein, ich begleite sie, weil Huitzilopochtli das so will.« Vier oder fünf seiner Ratgeber folgen ihm und so sieht es zumindest nicht ganz und gar nach einer Entführung aus.
Während der Eingang zu unserem Palast mit den drohend auf den Platz gerichteten Kanonenrohren bereits in Sicht kommt, winkt mich Montezuma an seine Sänfte heran. »Brüder« , sagt er mit benommenem Lächeln zu mir. »Du erinnerst dich doch an unser Gespräch?«
Ich nicke heftig. »Und wie ich mich erinnere, Euer Gnaden!«, antworte ich und werde förmlich überflutet von gegensätzlichen Gefühlen: Stolz und Reue, Triumph und Schuldgefühl … Ich habe sein Herz ergründet!, sage ich mir. Nur deshalb ist er ohne Gegenwehr mitgekommen – weil ich erspürt habe, dass er sich nach der brüderlichen Freundschaft unseres Herrn sehnt!
Doch mein Triumph hat den bitteren Beigeschmack von Verrat. Nur durch jenen schwarzen Zorn, der tief in mir umherrast, konnte ich Montezumas geheime Sehnsucht erspüren und ihn so in die schmachvolle Falle locken – eine Falle, in der ich in dunklen Stunden mit Freuden meinen eigenen Bruder schmachten sähe!
Ich bin nun vollkommen durcheinander. So muss also Montezuma für meine Zurücksetzung büßen, klage ich mich an, für die er doch nicht das Mindeste kann! Durch meine Schuld glaubt erin Cortés den ersehnten Bruder gefunden zu haben. Dabei würde sich unser Herr niemals mit irgendwem verbrüdern – außer mit sich selbst, mit dem Bildnis seiner eigenen strahlenden Zukunft.
- 4 -
Montezuma sitzt auf dem Thron seines Vaters und um ihn herum ist es gespenstisch still und leer. Außer jener Handvoll greiser Ratgeber ist dem Herrscher niemand in unseren Palast gefolgt. Auch von den unzähligen Bittstellern, Beschwerdeführern und Ratsuchenden, die sich drüben in der Halle seines Palastes drängten, hat kein Einziger den Weg hierhergefunden. Dabei sind bereits drei Tage seit unserer »Aktion« vergangen.
Nur eine Handvoll untergeordneter Beamter und Offiziere, die ihm persönlich Bericht erstatten oder Befehle von ihm entgegennehmen müssen, haben sich bisher zu Montezuma vorgewagt. Ab und zu erscheint ein Tributeintreiber, der mit Missernten zu kämpfen hat, oder ein Garnisonskommandeur, dem aufsässige Vasallenhäuptlinge das Leben sauer machen. Den größten Teil des Tages aber erscheint niemand. Und doch harrt Montezuma auf dem Thron aus, als ob alles wie immer wäre.
Er ist bester Laune und scherzt mit Cortés. Stundenlang hält unser Herr ihm Vorträge über Gott und den spanischen König und unser erst seit Kurzem geeintes Königreich. Marina und ich übersetzen, bis uns die Köpfe rauchen. Meine Zunge fühlt sich schon wund und unförmig an, so unablässig muss ich Nahuatl sprechen. Doch Montezuma hört sich alles mit unersättlicher Wissbegierde an. Immer wieder stößt er Begeisterungsrufe aus, wenn unser Herr von den Mirakeln erzählt, die Jesus Christus auf Erden gewirkt hat, und von Seiner wundersamen Auferstehung. Draußen auf dem großen Platz wirkt alles noch immer vor Schrecken wie versteinert – nur Montezuma selbst, der Gegenstand dieser
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