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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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werden sie sich nicht abfinden«, murmelt Carlita. »Dein Herr hätte Montezuma nicht vor aller Augen demütigen dürfen. Mein Volk verehrt seine Herrscher seit jeher als große Beschützer, die die Götter ausgewählt haben, damit sie uns vor Not und Leid bewahren. Aber ein König, der sich wie ein Hund an der Leine führen lässt – was für einen Wert hat der schließlich noch?« Sie presst sich an mich und ich spüre ihr ängstlich pochendes Herz an meiner Brust. »Sie werden Montezuma umbringen«, flüstert sie und streicht mir wie tröstend übers Haar. »Und ihr neuer Herrscher wird gegen euch kämpfen, bis keiner von euch mehr am Leben ist!«
    »Aber was sollen wir tun, Carlita?«, frage ich.
    »Es ist zu spät, Liebster«, flüstert sie. »Ihr hättet niemals hierherkommen dürfen! Jetzt gibt es keine Rettung mehr – für euch nicht und für uns beide erst recht nicht!«
    Hastig verschließe ich ihren Mund mit meiner Hand. »Das ist nicht wahr!«, erwidere ich. »Cortés hat alles vorausbedacht. Sein Plan wird aufgehen!«
    Die Schreie vom großen Platz her sind endlich verstummt. Doch der Gestank nach brennendem Haar und kochendem Blut liegt immer noch erstickend in der Luft, als Carlita nach einem letzten zärtlichen Kuss wieder nach draußen schlüpft. Ich warte wiederum einige Augenblicke, dann trotte ich durch den Park zurück zum Palast, wo gerade eben Cortés eintrifft. Er winkt mich zu sich, seine Augen funkeln – anscheinend ist er in heiterster Stimmung. »Alles ist ganz genauso verlaufen, wie ich es vorgesehen hatte«, erzählt er mir. »Zum Abschluss des großen Strafgerichts habe ich selbst Montezuma die Fesseln abgenommen und vor aller Ohren verkündet, er sei frei und könne in seinen Palast zurückkehren. Und was, glaubst du, hat der wackere Herrscher mir geantwortet?«
    Ich hebe meine Schultern und spüre, wie sich gleichzeitig meine Augenbrauen aufwärtsbewegen. »Hat er Euch gedankt und Euch seinen edlen Bruder genannt, Herr?«, antworte ich aufs Geratewohl.
    Cortés lässt jenes Lächeln kurz um seine Lippen spielen. »Ganz recht«, sagt er. »Das ungefähr waren die Worte, die er für alle hörbar gesprochen hat. Dann aber hat er sich zu mir herübergebeugt und etwas geflüstert, das nicht für die Ohren seiner Untertanen bestimmt war.« Er packt mich beim Handgelenk, wie es seine Art ist, und zieht mich mit sich die Treppe hinauf. »Errätst du auch das, Orteguilla?«, fragt er mich.
    Ich überlege fieberhaft, während wir ins Obergeschoss hinaufeilen. Offenbar zieht es Cortés geradewegs wieder in den Thronsaal,und das kann doch eigentlich nur einen einzigen Grund haben! Nun wird mir auch klar, warum er so glänzender Laune ist. »Montezuma hat erklärt, dass er nicht in seinen Palast zurückkehren will – ist es das, Herr?«
    Cortés nickt mir zu und lässt mein Handgelenk wieder los. »Genau das, Orteguilla!«, lobt er mich. »Du bist wahrlich ein begabter Herzensergründer! Er äußerte die Befürchtung, dass seine Ältesten ihn drängen könnten, gegen uns vorzugehen. Aber wir seien nun einmal seine Freunde und deshalb könne er derlei Aktionen nicht gutheißen.« Unser Herr bleibt unvermittelt stehen. »Was sagst du dazu?«, fragt er und schaut mich argwöhnisch an. »Du wirkst bedrückt, Orteguilla«, fügt er hinzu. »Aus welchem Grund? Glaubst du denn, dass Montezuma sich verstellt?«
    Ich senke meinen Blick und überlege verzweifelt, was ich ihm antworten soll. Die Wahrheit, auch wenn er die gewiss nicht hören will? Oder lieber irgendwelche tröstlichen Lügen?
    Schließlich gebe ich mir einen Ruck. »Ihr könnt es bestimmt viel besser als ich beurteilen, Herr«, antworte ich. »Aber vielleicht will Montezuma auch deshalb lieber bei Euch bleiben, weil er in seinem eigenen Palast um sein Leben fürchten müsste.«
    Cortés schaut mich verwundert an. »Du glaubst, sie würden ihren eigenen König ermorden – aber weshalb?«
    Wieder ringe ich einen Moment lang mit mir. »Wenn ich Cuitláhuac wäre«, stoße ich hervor, »würde ich ihn bei der ersten sich bietenden Gelegenheit umbringen und mich selbst zum König krönen lassen!«
- 6 -
    Das restliche Jahr vergeht ohne weitere Zwischenfälle. Anscheinend hat Cortés doch wieder einmal alles richtig vorausbedacht – und Carlita hat viel zu schwarzgesehen!
    Montezuma regiert sein Land von unserem Palast aus und niemand scheint mehr daran Anstoß zu nehmen. Die Bittsteller undBeschwerdeführer drängen sich nun in unserem

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