Goldfieber
hier die Stellung halten. Doch der »Durchtriebene« ist drauf und dran, uns alle ins Verderben zu reißen! Aus Angst, gewiss nur aus Angst, dass die Azteken uns abschlachten werden, wenn er ihnen nicht zuvorkommt. Seit Tagen sehen wir ihnen dabei zu, wie sie draußen auf dem Platz unzählige Pfähle aufrichten. Die Trommeln grollen und donnern bei Tag und bei Nacht. Oben auf der großen Pyramide haben sie gleichfalls einen Pfahl aufgestellt. Xicotencatl, der Anführer unserer tlaxcaltekischen Verbündeten, schwört Stein und Bein, dass sie Alvarado an diesen Pfahl gebunden opfern wollen – morgen Abend, als Höhepunkt ihrer teuflischen Zeremonie!
Aber der Reihe nach, immer der Reihe nach! Ich habe nur noch einen kleinen Vorrat an Schreibpapier und Tinte, und ich will ihn nutzen, um möglichst klar und knapp zu berichten, was seit jenen Salutschüssen geschehen ist. Zunächst sah wirklich noch alles so aus, als wären wir zumindest mit einem Fuß schon im Ziel. Wir waren nach Tenochtitlan gekommen, um unserem König das Reich der Azteken tributpflichtig zu machen und Montezuma zu unserem Glauben zu bekehren. Das eine Ziel hatten wir schon erreicht, wenngleich mit Zwang und Gewalt, und das zweite schien gleichfalls zum Greifen nah: Schließlich hatte Montezuma mehrfach beteuert, dass er sich an Ostern vor aller Augen taufen lassen wollte. Und überdies hatten wir mehr Gold an uns gebracht, als alle abendländischen Könige zusammen ihr Eigen nennen.
Wenige Tage nachdem Montezuma den Vasalleneid geleistet hatte, forderte ihn unser Herr auf, eine Sondersteuer zu erheben. Schließlich müsse er seine Vasallenpflicht gegenüber unserem König erfüllen. »Am besten erhebt Ihr die Tributsteuer gleich inGold, mein brüderlicher Freund«, schlug er vor – und Montezuma stimmte nach kurzem Zögern zu. Noch am selben Tag wurden Eintreiber in Marsch gesetzt, um die Goldvorräte herbeizuschaffen, die bei den im Land verstreuten Goldminen gelagert wurden. Unser Herr schickte jeweils zwanzig unserer Männer mit, angeführt von einem unserer Hauptleute, die herausfinden sollten, wie viel Gold die Minen enthalten.
»Auch hier in der Stadt gibt es doch sicher noch weitere Schatzkammern?«, fragte er kurz darauf Montezuma.
Ein schmerzlicher Ausdruck flog über das Gesicht des Aztekenherrschers. »Hat Cacama Euch nicht schon die unermesslichen Schätze von Texcoco übergeben?«, gab er zurück und bemühte sich um einen scherzhaften Unterton. »Habe ich Euch nicht die goldenen Bildnisse aus jenem vermauerten Tempelraum geschenkt? Sind nicht unsere Gesandten unterwegs, um die Goldlager im ganzen Land für Euch zu leeren? Euer Goldhunger ist unstillbar, Don Hernando!«
»Mir persönlich bedeutet materieller Reichtum überhaupt nichts«, behauptete unser Herr. »Ich führe nur die Befehle meines Königs aus. Außerdem verlangen meine Hauptleute ihren Anteil. Ihr wisst, wie aufbrausend sie sein können, mein Freund. Und unglücklicherweise sind sie nicht bereit, sich zu gedulden, bis Eure Eintreiber aus den Goldminen zurückkehren.«
Während er das sagte, trat jenes fiebrige Glitzern in seine Augen. Vielleicht sah auch Cortés in diesem Moment wieder vor sich, wie Alvarado mit einer ganzen Kolonne schwer bepackter Träger aus Texcoco zurückgekehrt war. Jeder Träger hatte eine Rückentrage geschleppt, die bis zum Rand mit Goldklumpen, goldenen Bildnissen und Schmuckstücken gefüllt war. Den gestürzten König Cacama hatte Alvarado an einem Strick hinter sich hergeführt, der an einem Halseisen befestigt war.
Auch den Goldschatz von Texcoco ließ Cortés in den großen Saal neben seinen Gemächern bringen. Dort ist mittlerweileso viel Gold aufgehäuft, dass man sich nur noch auf schmalen Pfaden zwischen den gestapelten Platten und Tellern und den Bildsäulen voranbewegen kann, die wie gefällte Baumstämme übereinanderliegen.
Montezuma stieß einen Seufzer aus. »Also wieder Eure Hauptleute, Don Hernando?«, rief er und zwang sich zu einem ergebenen Lächeln. »Warum seht Ihr Euch nicht einmal meinen Tiergarten an? Im Haus der Vögel werdet Ihr finden, wonach sie so unersättlich gieren.«
- 9 -
Nur ein paar Tage nach jener Unterredung suchten wir den Tiergarten auf. Er lag in einem der Außenbezirke von Tenochtitlan und die ganze Anlage war von bewundernswerter Schönheit: Der weitläufige Park mit seinen künstlich angelegten Bächen und kleinen Seen. Die Jaguare und Ozelots in ihren geräumigen Bambuskäfigen. Die
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