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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Innenhof und warten in langen Schlangen die Treppe hinauf bis zum Thronsaal. Wie früher versammeln sich die greisen Ratgeber hinter dem Thron ihres Herrschers – nur dass dieser Thron jetzt in unserem Palast steht und unsere Männer die Tore bewachen. Montezuma lebt in einer Flucht von Gemächern im dritten Geschoss, dort empfängt er seine Haupt- und Nebenfrauen, und von dort steigt er in manchen Nächten aufs Dach hinauf, um die Sterne zu beobachten.
    Wie Cortés es in jenen Träumen vorausgesehen hat, verbringen er und Montezuma viele Stunden gemeinsam auf dem Thron oder zumindest im Thronsaal. Fast immer bin auch ich zugegen – als Übersetzer oder um mit den beiden zusammen Toloqui oder Patolli zu spielen. Beim Toloqui-Spiel geht es darum, kleine Goldkugeln nach bestimmten Regeln über ein Spielfeld zu bewegen. Patolli dagegen ist ein Würfelspiel, das unserem Tric Trac ähnelt. Als Spielfiguren dienen Kakaobohnen, in die Zahlensymbole eingeritzt worden sind.
    Wir spielen halbe Tage lang mit Würfeln und Bohnen, auf Fellen oder Matten vor dem Thron. Manchmal bin ich auch mit Montezuma allein und dann erzähle ich ihm von meiner spanischen Heimat. Von den prachtvollen Kirchen und Palästen in Valladolid und den weniger prachtvollen in Medellín, wo ich zur Schule gegangen bin. Montezuma beteuert immer wieder, dass er Cortés »wie einen Bruder« liebe. Auch für mich scheint er mehr und mehr Zuneigung zu hegen. Er beschenkt mich mit kleinen Goldstücken, und ab und an fragt er mich, wie es mit mir in Liebesdingen bestellt sei. »Du hast doch bestimmt eine kleine Gefährtin, Orteguilla!«, sagt er dann beispielsweise. »Willst du sie mir nicht einmal vorstellen? Ich würde sie gerne beschenken – mit einer hübschen Bluse oder einer Kette!« Ich murmele dann jedes Mal, dass meine Pagendienste mir für derlei keine Zeit ließen, und wechsele hastig das Thema.
    Längst hat Fray Bartolomé die Marienkapelle im Südflügel eingeweiht. An jedem Tag besuchen Diego und ich seitdem mit unserem Herrn die Heilige Messe. Mehrmals pro Woche lässt sich Montezuma von einem unserer Priester im christlichen Glauben unterweisen. Zum nächsten Osterfest will er sich taufen lassen und in einer feierlichen Zeremonie auf dem großen Platz zu unserem Glauben bekennen. Das zumindest verspricht er Cortés immer wieder. Doch bis Ostern sind es noch rund zwei Monate, als Montezuma unseren Herrn zu einer eiligen Besprechung herbeirufen lässt.
    »Das ist Coquatzin, der Fürst von Tollocan«, sagt Montezuma ohne Umschweife, kaum dass Cortés eingetreten ist. Er deutet auf einen würdevoll aussehenden Indianer mittleren Alters, der einen golden bestickten Umhang aus weißem Hirschleder trägt. »Coquatzin hat mir soeben von einer Verschwörung berichtet«, fährt Montezuma fort. »König Cacama hat die Fürsten der größeren Städte an den Seeufern dazu angestiftet, mich zu stürzen! Sie wollen an meiner Stelle einen neuen Herrscher einsetzen – und dann Euch, Don Hernando, und Eure Männer ermorden! Auch Coquatzin wollte sich an dem Komplott anfangs beteiligen«, fährt er mit einem düsteren Seitenblick zu unserem Besucher fort. »Zu sechst trafen sie sich in einem von Cacamas Landhäusern und wurden sich anscheinend rasch einig. Nur gefiel es Coquatzin nicht, dass Cacama auch noch den Thron von Tenochtitlan an sich reißen will – mein ungetreuer Neffe Cacama!«, ruft Montezuma aus. »Nur durch mich ist er zum König von Texcoco aufgestiegen und so dankt er es mir!«
    Mit Cortés sind seine drei Vertrauten herbeigeeilt. Unser Herr winkt sie ein paar Schritte beiseite und bedeutet auch mir, mich zu ihnen zu gesellen.
    »Nun, du hattest offenbar nicht ganz unrecht«, sagt er zu mir. »Auch wenn anscheinend nicht sein Bruder, sondern sein ungetreuer Neffe dahintersteckt. Aber wie auch immer – wir werdenden Spieß einfach umdrehen und eine Entscheidung erzwingen, die längst überfällig ist.«
    Alvarado sieht ihn verständnislos an. »Eine Entscheidung erzwingen?«, wiederholt er. »Wie stellst du dir das vor?«
    »Das wird sich zeigen«, antwortet Cortés. »Jetzt wisst ihr jedenfalls, was auf uns zukommt.«
    Mit raschen Schritten kehrt er zu Montezuma und Coquatzin zurück, die in feindseliges Schweigen versunken sind. »Edler Freund«, sagt er zu Montezuma, »Euer Neffe Cacama hat ein todeswürdiges Verbrechen begangen! Ihr müsst ihn angemessen bestrafen, damit er so etwas nie wieder wagt! Greift Texcoco an! Ich verspreche Euch,

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